Il Palazzo
A, I, D, , 2006
«Palazzo» ist im Italienischen auch die Bezeichnung für Wohnhaus, Wohnblock. «Ungeheuer» ist der Name, den die Bewohner von Corviale für ihr nahezu einen Kilometer langes Wohngehäuse aus Stahlbeton gefunden haben. Inspiriert von Le Corbusiers Vision einer vertikalen Stadt wurde dieser soziale Wohnungsbau von Mitte der 70er bis in die frühen 80er Jahre an der Peripherie Roms errichtet. Wie ein Monolith liegt er in freier Landschaft, bis heute leben in ihm etwa 8.000 Menschen, er wurde nie gänzlich fertig gestellt. Das Versprechen eines urbanen Lebensraums hat er an seine Bewohner abgegeben, und es ist das große Vermögen des Films von Katharina Copony, dass er in dieser Leerstelle zu seinen Bildern und Erzählungen findet. Collagenhaft verschränken sich Einstellungen von Blickachsen des Gebäudes, seiner maroden Fassade, seinen endlosen Gängen, seiner Unwirtlichkeit, zunehmend mit den Perspektiven der Bewohner auf ihren Lebensraum. Die Stimmen sprechen aus dem Off. Es sind nicht viele, jedoch in ihrer Zusammenstellung repräsentativ. Sie erzählen zum Beispiel von der Vertreibung aus dem Zentrum Roms aufgrund eines neuen Kündigungsgesetzes in den frühen 80er Jahren. Sie sprechen von der Besetzung der vierten Etage, die ursprünglich als «innere Stadt» mit einer Einkaufspassage konzipiert war. Die Stimmen bleiben anonym, hinter der Fassade, bis auf eine, die einem älteren Mann gehört und der wie viele in den frühen 80er Jahren nach Corviale kam. Die Kamera folgt ihm auf seinen Wegen durch das Gebäude, man sieht ihn bei der Pflege von Grünpflanzen, beim Taubenfüttern oder beim Versorgen von wilden Katzen. Auch verlässt man mit ihm das Gebäude, sieht ihn bei Spaziergängen auf freien Feldern, die unmittelbar an die hintere Gebäudefassade stoßen. In seiner Person verdichten sich die Erzählströme des Films, wie er auch die Widersprüchlichkeit dieses Ortes zu überwinden und mit Leben zu füllen versucht. Katharina Coponys Il Palazzo ist mehr als eine Milieustudie oder Bestandsaufnahme einer gescheiterten Utopie. Es ist ein Film über die Aneignung und Nutzbarmachung eines Ortes, der schon längst als Un-Ort in die Geschichte eingegangen ist, für seine Bewohner aber nach wie vor den aktuellen Rahmen ihres Lebens stellt. (Lina Launhardt)
(Text: Viennale 2006)
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Details
- Regie
- Katharina Copony
- Kamera
- Bernhard Keller
- Author
- Katharina Copony