Die Spuren, die Honetschläger auf seiner Entdeckungsreise durch Sizilien, seinen Streifzügen durch Palermo verfolgt, führen nicht zu Aussichtspunkten, von denen aus man den Alltag oder die Geschichte der Insel überblicken könnte oder zu Endpunkten, über denen «Erkenntnis» geschrieben steht. Viel eher lässt er sich vom ambivalenten Flair der Orte bezaubern, an denen die Geschichte sich in Mythen bricht: Mythen, die sich ins Stadtbild eingeschrieben haben, in Erzählungen fortleben oder als lebendig gewordene Filmgestalten diesen Zauber weitergeben. So etwa der deutsche Dichterfürst Goethe, den Honetschläger als neugierigen, etwas verloren wirkenden Fremden durch Palermo irren und nirgendwo schon gar nicht bei einer klugen und wortgewaltig mitgeteilten Beobachtung über Land und Leute -ankommen lässt. Oder Friedrich I, der legendäre Stauferkaiser, der die Insel und deren kulturelles Selbstverständnis noch immer zu beherrschen scheint, aber in Il mare e la torta letztlich auf so schillernde Weise gestaltlos bleibt wie die bizarren Klänge der Geräuschmaschine, die angeblich alle Geräusche Siziliens enthält und die sich Honetschlägers Goethe von einem sinistren Händler andrehen lässt. So wie die Mythen vermengen sich auch die «Geräusche Siziliens» mit der Geschichte und der sich kaleidoskopisch darin spiegelnden Gegenwart der Insel. Mehr als das Porträt einer Insel und ihrer Geschichte ist Il mare e la torta daher ein Kosmos an Stimmungen, die Honetschläger als berauschendes Ensemble von Bildern und Klängen einfängt. Das einzige Monument in diesem Kosmos, das allen Kreisbewegungen der Geschichte wie auch allen kreisenden Annäherungsversuchen durch gegenwärtige Betrachter trotzt, ist der Ätna. Mächtig ragt der Rauch und Feuer speiende Riese aus dem Hintergrund des zerklüfteten Lavafeldes, auf dem der Cellist Giovanni Sollima dem Grollen des Vulkans mit einem passionierten Solo kontert und den Betrachter seine Spurensuche für einige Minuten vergessen und in einem beseligenden Gefühl der Geschichtslosigkeit versinken lässt. (Robert Buchschwenter)
Länge: 60 Min.
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Details
- Regie
- Edgar Honetschläger
- Kamera
- Edgar Honetschläger, Thomas Woschitz, Giovanni DAngelo, Martin Putz
- Author
- Edgar Honetschläger
- Musik
- Giovanni Sollima, Giacco Pojero, Nino Vetri