"Happy Burnout": Der Punk und die sehr, sehr Nervösen
Der Lebenskünstler und Hartz IV-Bezieher Fussel überanstrengt sich bestimmt nicht und ist seiner Punk-Mentalität auch im vorgerückten Alter treu geblieben. Er hat immer eine gute Story parat, um die Leute einzuwickeln, doch irgendwann kann ihm sogar die nette Dame vom Arbeitsamt (besonders überzeugend Victoria Trauttmannsdorf als graues Mäuschen) nicht mehr den Rücken freihalten. Falls er nicht auf der Straße landen will, bleibt ihm als letzter Ausweg nur die Einweisung in eine Klinik unter dem Vorwand von Burnout.
Dort lernt er einige Patienten kennen, die unter echten Problemen leiden und auch er selber ist nicht ganz so unangreifbar, wie er sich immer darstellt. Die Klinikleiterin kann er mit dem Bornout-Schwindel natürlich nicht lange täuschen, doch aus bestimmten Gründen ist er in ihren Augen ein gern gesehener Gast, denn in ihm steckt mehr, als er selber glauben würde und so gestaltet sich der mehrwöchige Aufenthalt im Sanatorium zu einem Wendepunkt in seinem Leben.
Ein echter Ensemblefilm
Wotan Wilke Möhring spielt den Systemverweigerer auf mitreißend kraftvolle Art und offenbart zugleich immer mehr von seiner verletzlichen Seite, doch auch die anderen Mitwirkenden können sich sehen lassen und machen aus der Produktion einen richtigen Ensemblefilm. Als taffe Psychologin bekommt Anke Engelke Gelegenheit, den rebellischen Pseudo-Patienten mehrfach in Erstaunen zu versetzen; Julia Koschitz durchlebt als Mutter mit Kontrollzwang sehr nervöse Momente, und als mysteriöseste Figur tritt ein schweigsamer Michael Wittenborn in Erscheinung, der uns sehr lange eine Erklärung für sein grotesk verbranntes Gesicht schuldig bleibt.
Burnout mag zwar eine Modekrankheit sein und es ist leicht, sich darüber lustig zu machen; trotzdem geht der Film sehr respektvoll mit den fiktiven Patienten um und findet meist ein gelungenes Gleichgewicht zwischen Komik und Tragik. Eine ernstzunehmende Konkurrenz zu „Eine flog über das Kuckucksnest“ stellt die deutsche Produktion aber wirklich nicht dar - dafür ist die Story denn doch zu glatt und brav geworden.
7 von 10 Ausbrennpunkten
franco schedl