GLAMOURÖSE ACTION IN VENEDIG

Dass Venedig-Touristen nicht gerade am Leben hängen dürfen, ist ja ein sprichwörtlich alter Gemeinplatz. Für sein Hollywood-Debüt hat der deutsche Oscar-Preisträger Florian Henckel von Donnersmarck das tödliche Image der Lagunenstadt mit neuem Leben erfüllt und zwei zugkräftige Akteure erstmals gemeinsam vor die Kamera geholt. Angelina Jolie und Johnny Depp in eine Gondel zu setzen, erweist sich tatsächlich als genialer Ausgangspunkt für eine elegante Action-Komödie.

Absolut mondän und sehr geheimnisvoll, kommt Jolie einmal mehr als gefährliche Schönheit ins Spiel, die einer zufälligen Reisebekanntschaft den Kopf verdreht. Der stille amerikanische Europatourist Frank ( Johnny Depp) merkt leider zu spät, dass er nur als Köder dient, denn plötzlich sitzen ihm russische Killer und skrupellose Polizisten im Nacken, weil sie ihn für einen untergetauchten Kriminellen halten. Also türmt er über die Dächer Venedigs wie einst Casanova, obwohl er in Liebesdingen dem mächtigen (also potenten) Vorbild nicht das Wasser reichen kann – bei ihm langt es höchstens dazu, im Kanalwasser zu landen.

Depp spielt die Unschuld vom amerikanischen Lande voller Spleens und Schwächen, und um seine Rolle noch witziger zu gestalten, wurde ihm zuliebe extra am Drehbuch gefeilt. Als unbedarfter Hypernormalo stolpert er von einer brenzligen Situation in die nächste und wenn er mal überhaupt nicht weiter weiß, verschlägt es ihm keineswegs die Sprache, sondern er bessert sein holpriges Italienisch durch ein paar Brocken Spanisch auf.

Steven Berkoff umgibt sich als Schurke mit russischen Handlangern, die er aber gar nicht benötigen würde, da er gern selber Hand anlegt, obwohl er eigentlich schon im Rentenalter ist. Er vermittelt schon rein optisch großes Unbehagen und sieht seine Figur zu Recht als „eigenwilligen Mix aus Teufel, Charmeur und Gentleman“.

Bestens besetzt ist auch die Rolle eines Chefinspektor von Scotland Yard mit Timothy Dalton: als absoluter Anti-Bond spielt er eher einen kostenbewussten Buchhalter, der aber zumindest die Stimme der Vernunft sprechen lässt, als es wirklich gefährlich wird.

Henckel von Donnersmarck, dessen Name nach einer edlen Sektmarke klingt, hat tatsächlich einen spritzigen Film im Geiste alter Thriller-Komödien à la „Charade“ oder „Arabeske“ inszeniert. Wenn die Schlusspointe mit einem Schlag alle Konflikte aus der Welt schafft, wirkt das zwar nicht wirklich überzeugend, weil sie im Hinblick auf das Vorhergehende einfach zu unglaubwürdig erscheint. Aber wer wird denn so pingelig sein? Sobald man dafür Venedig inklusive Depp und Jolie sowie eine zünftige Bootsverfolgung in den nächtlichen Kanälen geboten bekommt, dürfen ruhig ein paar Abstiche in punkto Logik gemacht werde. Und da wir schon in Italien sind, ist es Ehrensache, dass Jolie in einer Szene zurechtgemacht wie Sophia Loren auftritt.

Das Unbehagen an einem anderen Problemfall lässt sich aber nicht so leicht beschwichtigen: Die gediegene und glamouröse Hochglanzwelt, in der die Handlung ausschließlich vor sich geht, wird einem mit der Zeit nämlich richtig unheimlich und scheint Venedigs Geist zu widersprechen. Im Interesse der touristischen Authentizität will ich hoffen, dass es bei den Dreharbeiten wenigstens ein Mal herzhaft aus den Kanälen gestunken hat. Dann wäre Italiens Landesehre wieder hergestellt.