FRISCHER WIND IN ALTEN SEGELN

Damit er in jene Rolle schlüpfen konnte, die seinem ewig jungen Piratenherz am besten gefällt, setzte Johnny Depp wieder den Mascara-Stift an und holte die Dreadlocks frisch aus der Haar-Waschanlage.

Das Zu-keinem-Ende-Kommen-Können hatte bei der karibischen Piratenreihe ja mitunter eine ganz spezielle Aufwertung erfahren: die Macher waren der Meinung, dass pro Folge eine Laufzeit von 150 Minuten als Minimum zu gelten habe, obwohl sich die Geschichten auch locker um eine Stunde kürzer erzählen ließen. Das Prinzip des ewigen Hin-und–Her macht offenbar zu viel Spaß und entspricht schließlich den ins Endlose weitergesponnenen Serien-Produktionen von Karl May bis Jerry Cotton.

Gore Verbinksi ist allerdings nach den ersten 3 Folgen für sich selber an ein Ende gelangt und hat die Regie bei der Suche nach dem Quell der Jugend seinem Kollegen Rob Marshall überlassen. Auch in anderer Hinsicht stellt „Fluch der Karibik 4“ einen Neuanfang dar und verheißt frischen Wind in alten Segeln: vertraute Figuren sind abgetreten, um Newcomern wie Sam Claflin und Astrid Bergès-Frisbey als ungewöhnlichem Liebespaar (ER ein Missionar – SIE eine Meerjungfrau) oder einer abenteuerlustigen Penélope Cruz Platz zu machen, und Captain Sparrow stößt – nachdem er schon so viele phantastische Welten erforscht hat – angeblich endlich in die dritte Dimension vor (ich gebe nur von Hörensagen ein Piratengerücht weiter, da meine Kollegen und ich bei der Pressvorführung eine sehr zweidimensionale Fassung zu sehen bekamen).

Diesmal bleiben die Freibeuter auf hoher See erstaunlich friedfertig und liefern einander kein einziges Gefecht. Eher dominiert die persönliche Auseinandersetzung zwischen den bereits hinlänglich bekannten Piraten Barbossa (Geoffrey Rush) und Blackbeard (Ian McShane). Ersterer macht diesmal auf seriös, da er offiziell in britischen Diensten steht und letzterer beeindruck besonders durch sein vollautomatisches Schiff, bei dem ein Zaubersäbel als Fernsteuerung dient.

Auch die Geschichte selbst wird mit geradezu bescheidenen 140 Minuten Länge erfreulich zielstrebig erzählt. Dabei haben die Drehbuchautoren, wie nicht anders zu erwarten, ein weiteres Stück vom reichen Sagenschatz der Weltmeere gehoben: für „Fremde Gezeiten“ ließen sie sich durch die Figur des historischen Ponce de Leon inspirieren. Der Weggefährte von Columbus brach einstmals tatsächlich zu einer ergebnislos verlaufenden Suche nach dem mythischen Jungbrunnen auf, entdeckte im Zuge dessen aber immerhin Florida. In der Welt des Jack Sparrow muss die ähnliche Expedition selbstverständlich von Erfolg gekrönt sei; ob der listige Pirat aber tatsächlich aus der Quelle trinkt und uns dadurch Fortsetzungen bis in alle Ewigkeit ermöglicht, sei hier noch nicht verraten. Immerhin darf man bei einem Mann, der bereits aus dem Totenreich zurückgekehrt ist, mit allem rechnen.