"Tyler Rake 2": Lohnt sich der Netflix-Film mit Chris Hemsworth?
In unserer neuen Rubrik "Lohnt sich das?" stellen wir euch einmal wöchentlich einen Streamingtitel (Film oder Serie), der in aller Munde ist, vor, nehmen ihn genauer unter die Lupe und stellen uns die altbekannte Frage: "Lohnt sich das überhaupt?" Lohnt es sich, dafür Zeit zu investieren? Ein Abo abzuschließen? Oder ein Abo zu beenden?
Diesmal: "Tyler Rake: Extraction 2" auf Netflix.
Totsein gilt nicht! Ein Actionheld wie Tyler Rake (Chris Hemsworth) kann doch nicht schon nach seinem ersten Einsatz auf Netflix den endgültigen Abgang machen. Eine schwere Verletzung ist hingegen okay, denn davon erholt sich ein derartiger Bursche natürlich in Windeseile. Zugegeben, ganz so schnell geht es dann doch nicht, weil sich Tyler erst langsam von der Intensivstation in den Rollstuhl und von dort wieder auf die Beine kämpfen muss.
Tyler Rake in Gmunden
Ziemlich früh finden wir uns in winterlichen Gmunden wieder, wo der immer noch angeschlagene Held in einer einsam gelegenen Seehütte erstmals richtig ausspannen soll: An seiner Seite ein Hund, viel Feuerholz vor der Hütte, Fußballspiele im Fernsehen, Gelegenheit zum Angeln durch ein Eisloch, alte Erinnerungen aus Briefen, ein neues Haustier vom Hühnermarkt – und irgendwann taucht doch tatsächlich Idris Elba auf, um den Kampfprofi für einen neuen Auftrag zu rekrutieren. Danach ist erstmal wildes Steineschlichten und Holzhacken angesagt, um den geschwächten Körper rasch in Form zu bringen.
Jetzt kann Chris Hemsworth endlich für einen zweiten Einsatz durchstarten, und die besondere Machart bleibt selbstverständlich auch diesmal erhalten. Die Netflix-Reihe zeichnet sich durch atemberaubende Inszenierung der Action-Szenen aus. Scheinbar ohne Schnitt spulen sich vor unseren Augen die gefährlichsten Situationen ab und lassen uns mitfiebern, wie jemand das alles bloß überleben soll.
One-Take als höchste Action-Kunst
Durch Plansequenzen wird übrigens erst deutlich, wie sehr die Inszenierung in den üblichen Action-Filmen unsere Wahrnehmung beeinflusst. Sobald Schießereien, Verfolgungsjagden oder Kampfszenen durch rasch aufeinanderfolgende Schnitte regelrecht zerhackt werden, ergibt das einen ganz anderen Eindruck, als ob man plötzlich in einer One-Take-Aufnahme mittendrin im Geschehen steht.
Wir erleben alles in Echtzeit durch die Augen der Beteiligten und wenn es richtig zur Sache geht, bleibt auch für uns keine Verschnaufpause, sondern man muss da jetzt einfach durch. Dank komplizierter Kameraführung und genau choreografierten Abläufen der haarsträubendsten Szenen geht diese Action richtig unter die Haut und verschafft allein beim Zuschauen schweißfeuchte Hände. Bewundernswert, wie das Team um Regisseur Sam Hargrave das alles mit solch präzisem Timing hinbekommen hat.
Die Story selbst ist dagegen zweitrangig. Hauptsache, Tyler darf wieder ein paar Personen schützen und tritt praktisch gegen den Rest der Welt an. Diesmal soll er die Familie eines georgischen Kriminellen aus einem absolut ausbruchssicheren Gefängnis befreien und muss dann mit der Frau und zwei Kindern eine wilde Flucht antreten.
Kampf-Szenen der Superlative
Die erste halbe Stunde über scheint alles ganz traditionell gefilmt zu sein, doch als es dann zur Befreiungsaktion kommt, bricht der reine Wahnsinn los. Was sich da zum Beispiel im georgischen Gefängnishof abspielt, geht wirklich fast an die Grenzen der Vorstellungskraft und man wagt sich kaum auszumalen, welche Strapazen den Darsteller:innen abverlangt wurden.
Hemsworth kämpft sich inmitten einer Gefängnisrevolte durch einen Hof voller Schwerverbrecher, schaltet unzählige von ihnen aus, wird selbst geschlagen, gestochen, getreten, bekommt einen Ziegelstein auf den Hinterkopf gedonnert, rappelt sich wieder auf, wird von einer Brandbombe fast getroffen und fightet mit einem in Flammen stehenden Ärmel weiter.
All das zieht sich über etliche Minuten in einer einzigen Einstellung hin – und setzt sich immer noch fort, denn als sie mit einem Wagen flüchten und von anderen Autos und Motorrädern gejagt werden, sind Explosionen und Kollisionen vorprogrammiert – und sobald sie in einen Zug umsteigen und von Kampfhubschraubern beschossen werden, ist noch immer kein Schnitt in Sicht, sondern es wird in Echtzeit gezeigt, wie sich nun ein gnadenloser Kampf in und auf den verschiedenen Waggons entwickelt, und als schließlich der Zug unsanft zum Stehen kommt, droht überhaupt die Welt unterzugehen … aber immerhin ist nach über 20 Minuten endlich wieder der erste Schnitt fällig. Puhhhh, da wird ja schon das Mitschreiben dramatisch genug!
Tyler Rake in Wien
In der zweiten Filmhälfte verlagert sich die Handlung nach Wien, was man nicht nur an den Hochhäusern in Kaisermühlen erkennt, sondern auch an einem Teller voll köstlicher Mehlspeisen. Inzwischen rückt aber eine ganze Armee georgischer Gangster aus, um für die nächste Angriffswelle zu sorgen (und wie rasch sie am Ort des Geschehens sein können, dürfte einen neuen Geschwindigkeits-Rekord aufstellen).
Jetzt legen sie die Donauplatte in Schutt und Asche, der DC Tower gerät unter Beschuss und die heimische Polizei steht auf verlorenen Posten. So viel Hollywood-Action hat Wien wohl noch nie abbekommen. Diesmal gibt es zwar jede Menge Schnitte, aber keine Angst, der Schauwert bleibt dennoch gewaltig – vor allem in luftiger Höhe. Und jetzt fragt bitte nicht, wie das ein Mann, der erst wenige Woche zuvor klinisch tot gewesen ist, körperlich überstehen konnte – oder wollt ihr etwa Spielverderber:innen sein?
Fazit
Wer sich hier schauspielerische Spitzenleistungen oder eine subtile Handlung erwartet, ist völlig fehl am Platz. "Tyler Rake: Extinction 2" will die Zuschauer:innen stattdessen unter visuelles Dauerfeuer nehmen und immer sensationellere Action bieten. Weil dieses Ziel bis zur Perfektion erfüllt wird, kann ich aus vollem Herzen sagen: Dieser Film lohnt sich absolut. Daher vergebe ich die Höchstwertung (was vielleicht auch ein bisschen damit zusammenhängt, dass ich Wiener bin und der Zerstörung meiner Stadt durch Netflix gerne zuschaue).
5 von 5 Sternen
Für Fans von: "Tyler Rake 1", "Luther: The Fallen Sun", "Fubar" und allen Filmen mit Chris Hemsworth.