"Pulled Pork": Pizzera & Jaus ermitteln ganz hardboiled in Graz
Krimis mit Nahrungsmitteln im Titel sind ja inzwischen keine Seltenheit mehr, und wenn sich ein Film "Pulled Pork" nennt, nimmt man natürlich sofort an, dass es sich um eine britische oder amerikanische Variante der Eberhofer-Reihe handelt. Das wäre hier aber weit gefehlt. Dieses Schweinderl kommt aus Österreich – genauer gesagt aus der guten alten Steiermark.
Pizzera & Jaus führen nur ein bisschen Schmäh
Darüber hinaus kann der Film mit zwei zugkräftigen Namen aufwarten, die man bisher aber nur mit Musik und Kabarett in Verbindung gebracht hat: Pizzera & Jaus. Mit "Pulled Pork" geben sie ihr Spielfilm-Debüt und legen sofort mit voller Kraft in und um Graz los. Da fragt man sich zunächst vermutlich: Ist das ernsthafte Schauspielern oder doch das Komfortzonen-hafte Schmähführen für die beiden wichtiger?
Doch keine Angst: Das Drehbuch von Regisseur Andreas Schmied ("Klammer – Chasing the Line", "Love Machine 1&2") hat eine Handlung mit genügend Dramatik und Spannung zu bieten, aber ein paar Schmähs gehen sich trotzdem aus (nur gesungen wird wirklich fast gar nicht).
Zwei Ziehbrüder gegen einen korrupten Neo-Politiker
Paul Pizzera und Otto Jaus heißen hier Flo Kienzl und Eddi Kovac, sind ungleiche Ziehbrüder und müssen gegen einen übermächtigen Gegner antreten, weil sie das Verschwinden ihrer Ziehschwester Samira (Gizem Emre) endlich aufklären wollen. Der Bösewicht heißt Jagschitz und ist eine ebenso machthungrige und zwielichtige wie korrupte Figur: Als Ex-Profifußballer, Schweinezüchter und Bürgermeisterkandidat kann er sich's immer richten und geht dabei offenbar über Leichen. Mit Gregor Seberg in dieser einprägsamen Rolle sind wir übrigens tatsächlich bei Eberhofer angelangt, denn er war erst kürzlich in "Rehragout-Rendezvous" als gestresster Schamane zu sehen.
Flos und Eddis Wege haben sich schon früher mit denen von Jagschitz gekreuzt und das hat für die beiden böse geendet: der bisherige Vorzeige-Polizist Flo war seinen Job los und Kleinganove Eddi ist für 18 Monate sogar hinter Gittern gelandet. Um den Fiesling jetzt endgültig zu Fall zu bringen, macht Flo nicht nur mit Eddi erneut gemeinsame Sache, sondern sucht auch bei Ex-Kollegin Meli (Valerie Huber, die bis vor kurzem mit Pizzera verlobt war) Unterstützung.
Tarantino und Philipp Marlowe lassen grüßen
Andreas Schmied hat diesmal echt große Ambitionen, was man bereits an der Erzählweise in Kapitelform erkennt, die unweigerlich sofort an Quentin Tarantino denken lässt. Es gibt auch viele Rückblenden, Szenen werden aus anderer Perspektive noch einmal wiederholt und alles kann sehr verschachtelt sein. Dass die Erzählerinnenstimme zu einer verschwundenen Figur gehört, sorgt ebenfalls von Beginn an für Erstaunen. Vor allem die Tonlage ist wesentlich düsterer als erwartet und entfernt sich so weit wie möglich von der anfangs genannten bayrischen Kultkrimi-Reihe.
Ein richtiger Graz-Film ist es hingegen aber auch nicht und wer sich massigen Lokalkolorit erwartet, wird enttäuscht sein – höchstens ein paar Stadtansichten aus der Vogelperspektive sind dabei, doch keine fremdenverkehrstauglichen Motive, denn ein Wohnwagen, der auf einem Steinbruch steht, kann bestimmt nicht dafür gelten.
Stattdessen bleibt "Pulled Pork" offenbar sehr stark amerikanischen Vorbildern verhaftet: Man wird an typische Hard-Boiled-Produktionen mit heruntergekommenen Schnüfflern vom Schlag eines Philipp Marlowe erinnert, die alles daransetzten, ihrer Vorstellung von Gerechtigkeit nachzukommen. Hier haben wir mit Flo einen abgesandelten Ex-Polizisten, der nun als Privatdetektiv arbeitet und von der Vergangenheit nicht losgelassen wird, was manchmal zu geradewegs selbstmörderischen Aktionen führt. Zum Showdown macht sich dann auch noch als stimmige Abrundung ein kräftiger Schuss Italo-Western bemerkbar.
Toller Cast mit einprägsamen Rollen
Die Besetzung ist exzellent: Pizzera und Jaus geben einen makellosen Einstand ins Schauspielfach und man merkt am pausenlosen Geplänkel zwischen den beiden, wie gut aufeinander abgestimmt sie bereits abseits der Kamera waren (und sind). Ein seltsames Detail am Rande: Wenn man die Augen schließt, hat Jaus einen Tonfall drauf, der sofort an Josef Hader erinnert. Vielleicht ist es seine kabarettistische Schulung, die hier durchschlägt. Auch Valerie Huber setzt als Polizistin wichtige Akzente.
Abgesehen von den Leading-Stars hat in einer wortlosen Rolle ein (echter?) mexikanischer Wrestler, der seine Gewaltausübung leider nicht richtig dosieren kann, ein paar starke Auftritte. Überhaupt scheint Andreas Schmied die übergroßen Bösewichte zu lieben: So gibt es als weiteren stummen Protagonisten einen russischen Oligarchen, der schon mal aus lauter Wut eine Zigarette in der eigenen Handfläche ausdrückt. Umso mehr Text hat jedoch ein eindrucksvoller Michael Rast als Grazer Gangsterboss Nogger, dessen Leinwandpräsenz regelrecht für Gänsehaut sorgt.
Überflüssige Schwiegermutter und echter Cliffhanger
Reichlich überflüssig ist allerdings die Nebenhandlung mit der griechischen Schwiegermutter in spe. Wozu muss der Film in Richtung "My Big Fat Greek Wedding" abdriften? Oder war Schmied so sehr vom Stipsits-Erfolg "Griechenland" beeindruckt, dass es diese Rolle unbedingt unterbringen wollte?
Die größte Überraschung bietet aber dann wohl der Umstand, dass es mit einem richtigen Cliffhanger und einem großen Fragezeichen endet, wodurch der Weg zu einer Fortsetzung gebahnt ist. Schmied und sein Team haben also von vornherein sehr großes Vertrauen in die Story und die beiden Hauptdarsteller gesetzt – und das zu Recht, wie man nun (erleichtert) sagen darf.
Zur völligen Perfektion fehlt höchstens noch ein Gastauftritt von Arnold Schwarzenegger – aber vielleicht schaut der ja dann im zweiten Teil vorbei.
4 von 5 Oligarchenhänden mit Brandblasen