"One Love": Bob Marley-Biopic zündet nicht richtig
Bob Marley hat mit seiner Musik die Welt verändert und ist bis heute, mehr als 40 Jahre nach seinem Tod, unvergessen. Warum das bei dem Biopic "One Love" ganz und gar nicht der Fall sein wird, erfahrt ihr in unserer Kritik.
Worum geht's in "One Love"?
Bob Marley beschließt im Jahr 1976, zur Zeit von starken Unruhen und Bandenkriegen in Jamaika, ein Friedenskonzert auf der Insel zu spielen, um die Menschen durch seine Reggae-Musik und die Message der Liebe zu vereinen. Nachdem aber ein Anschlag auf sein Leben verübt wird, bei dem auch seine Ehefrau schwer verletzt wird, flieht er zusammen mit seiner Band, den Wailers, nach Großbritannien.
Dort will er in Ruhe und Sicherheit das Album "Exodus" aufzunehmen, das später Legendenstatus erreichen soll. Während er auf seiner Europatournee immer berühmter wird, möchte er sich mit seiner Musik für Frieden, Liebe und Gerechtigkeit einsetzen.
Kingsley Ben-Adir wird zu Bob Marley
Von einem der Kens aus "Barbie" über den Bösewicht Garvik in der Marvel-Serie "Secret Invasion" zur Reggae-Legende Bob Marley: Kingsley Ben-Adir hat innerhalb eines Jahrs eine enorme Wandlung hingelegt. Nicht nur äußerlich ist der Schauspieler dank seiner Rastalocken nicht mehr wiederzuerkennen, auch bei seinem Spiel zeigt er sich von einer ganz anderen Seite.
Dem britischen Schauspieler ist anzumerken, dass er Dutzende Stunden Tonaufnahmen von Bob Marley studiert hat, um jede Nuance seines Dialekts zu treffen. Der Schauspieler fängt dessen messianischen Tonfall und spielerische Art, seine wahren Absichten geheim zu halten, gekonnt ein.
Dank Kingsley Ben-Adir wird "One Love" von einem mittelmäßigen zu einem beinahe guten Film. Doch selbst wenn er auf der Bühne tanzt und den Geist Bob Marleys wiederbelebt, springt der Funke nicht über. Man wird von den Konzertszenen schlichtweg nicht mitgerissen – nicht, wie es bei gelungenen Musik-Biopics wie "Bohemian Rhapsody" und "Rocketman" der Fall ist, die den Kinosaal zum Beben gebracht haben.
Dieses Gefühl begleitet Zuschauer:innen leider auch beim Rest von "One Love", sodass man nie so ganz von der Story gefesselt wird.
Glorifizierung von Bob Marley
"One Love" hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Weltbild des Jamaikaners in die Welt zu tragen. In seiner Musik predigte er Vergebung, den Verzicht auf Gewalt, den Einsatz für Frieden und sein Herz für die Liebe zu öffnen. Diese positiven Werte spricht Kingsley Ben-Adir in dem Biopic immer wieder an und handelt auch (meistens) dementsprechend. So vergibt er seinem Attentäter und stellt sich trotz Todesgefahr auf die Bühne, um die Menschen in Jamaika zu vereinen. Eine an sich schöne Message, die man gerade heutzutage gut gebrauchen kann.
Marleys offenkundige Glorifizierung ist jedoch insofern problematisch, da die menschlichen Makel des Reggae-Musikers nicht beleuchtet, sondern nur nebenbei angerissen werden. Dabei hätte man bei dem Idol ausreichend Fehler finden können. Bob Marley ist seiner Ehefrau Rita etwa mehrmals fremdgegangen und hatte sogar sieben uneheliche Kinder. Ein Umstand, der in dem Film kaum erwähnenswert ist, obwohl die Figur dadurch mehr Facetten bekommen hätte. Man wäre dem Menschen Bob Marley näher gekommen.
Stattdessen entschied sich Regisseur Reinaldo Marcus Green ("King Richard") dazu, den Protagonisten in einer Szene gewalttätig und aggressiv darzustellen. Zum einen passt das so gar nicht zu dem, wofür Bob Marley mit seiner Musik steht. Zum anderen wird sein Verhalten überhaupt nicht kritisch beleuchtet oder reflektiert, sodass man hier als Zuschauer:in verstört aus der Szene herausgeht.
Oberflächliche und uninspirierte Rückblenden
Durch die Beschränkung auf die Jahre 1976 bis 1978 zeigt der Film fast nichts davon, wie Marley in Jamaika aufstieg und zu der Legende wurde, deren Musik heute noch jede:r kennt. So wird es Zuschauer:innen verwehrt, eine andere Seite des Musikers kennenzulernen.
Auch wenn "One Love" in Form von (zu viel) eingestreuten Rückblenden versucht, Bob Marleys Vergangenheit zu zeigen, wirken diese doch bedeutungslos. Die Flashbacks erklären leider kaum, wie Robert Nesta Marley zu dem Idol für Jamaika und den Rest der Welt wurde. Bei den Rückblenden (aber auch bei vielen anderen Szenen) entsteht der Eindruck, dass vieles ungesagt bleibt, dass etwas fehlt.
Eintauchen in die Jamaikanische Kultur
Trotz der vielen Kritik an dem Biopic und der Tatsache, dass die Anfänge und Bedeutung des Reggae nicht deutlich werden, macht "One Love" auch einiges richtig. Fans von Reggae und Bob Marley werden dem Kinofilm mit Sicherheit etwas abgewinnen können.
Auch werden die Unruhen in Jamaika lebendig, auch die Strukturen und Werte der Rastafari-Bewegung werden den Zuschauer:innen nähergebracht. Man erhält eine Unterrichtsstunde zur Geschichte, Musik und Kultur Jamaikas, in deren Zentrum das (damalige) Idol des Landes steht. Dazu trägt auch das Jamaikanische Englisch bei, dass "One Love" eine unglaubliche Authentizität verliehen. Deshalb sollte man das Biopic nicht auf Deutsch ansehen, denn durch die Synchronisation geht viel Charme verloren.
Fazit zu "One Love"
So viel Mühe sich Brad Pitt als Produzent und Kingsley Ben-Adir als Protagonist gegeben haben, so wenig weiß das Biopic leider zu überzeugen. Trotz der Authentizität der jamaikanischen Kultur wird "One Love" durch seine Mittelmäßigkeit in der Versenkung der Vergessenheit verschwinden. Das liegt vor allem daran, dass die Musik-Legende nicht als Mensch greifbar wird und den Kinosaal trotz der großartigen Musik nicht zum Beben bringt.
Wertung: 3 von 5 Rastalocken