"Murder Mystery": Tod auf dem Boot
Gute Komödien sind nicht so einfach reproduzierbar wie Action-Spektakel voller Superhelden, die unterstützt von atemberaubenden Spezialeffekten in halsbrecherischen Stunts gegen Bösewichter antreten. Jedenfalls spült Action im Kino wesentlich mehr Geld in die Kassen der Hollywood-Studios als Komödien. Der Trend zum Action-Blockbuster geht daher auch auf Kosten großartiger Komödien im Kino.
Die Zeiten, in denen Komödien wie "Zurück in die Zukunft", "Ghostbusters", "Beverly Hills Cop", "Bruce Allmächtig" und "Men in Black" an der Kinokasse ganz vorne dabei waren, sind lange vorbei. Zuletzt spielte "The Hangover" im Jahr 2009 in den USA über 277 Mio. Dollar ein (weltweit rund 467 Mio. Dollar). Doch das ist eher die Ausnahme. Während Superhelden- und Fantasy-Blockbuster und zuletzt sogar Horrorfilme regelmäßig über 250 Mio. Dollar alleine in den USA einspielen, gilt ein US-Einspielergebnis von 100 Mio. Dollar bei Komödien schon als Erfolg.
Rekord auf Netflix
Diese Grenze haben Jennifer Aniston und Adam Sandler mit ihrer Komödie "Meine erfundene Frau" im Jahr 2011 noch knapp überschritten. Acht Jahre später gehen die beiden auch nicht mehr ganz taufrischen Hollywood-Stars mit einer recht ähnlichen Komödie mit Netflix auf Nummer sicher. Es scheint sich gelohnt zu haben. Denn die Einspielergebnisse sind bei Netflix nicht so wichtig wie die Klickrate der User. "Murder Mystery" haben laut Netflix weltweit knapp 31 Mio. Haushalte in nur drei Tagen gesehen. Das ist ein neuer Rekord. Die Rechnung scheint für Aniston und Sandler also aufgegangen zu sein.
Aber ist "Murder Mystery" auch wirklich sehenswert? Hier ist unsere Filmkritik:
Unübliche Verdächtige
Nick und Audrey Spitz sind ein durchschnittliches New Yorker "Working Class"-Pärchen: Seit 15 Jahren verheiratet, kinderlos und ziemlich im Alltagstrott ihrer Beziehung verhaftet. Audrey (Jennifer Aniston) ist eine gelangweilte Friseurin. Sie liest gerne Krimis, was wiederum ihren Ehemann Nick (Adam Sandler) langweilt. Der gewöhnliche Streifenpolizist ist schon zum dritten Mal bei der Prüfung zum Detective durchgefallen, was er seiner Frau aber verheimlicht. Da der 15. Hochzeitstag bevorsteht und Audrey leichte Tendenzen zur Beziehungskrise zeigt, ist Nick gezwungen, die schon für die Flitterwochen versprochene Reise nach Europa nachzuholen.
Auf dem Flug nach Malaga lernt Audrey in der First Class den britischen Adeligen Charles Cavendish (Luke Evans) kennen. Seine Ex hat ihn sitzen gelassen und heiratet stattdessen seinen Onkel, den greisen Milliardär Malcolm Quince (Terence Stamp). Aus einer Laune heraus lädt Cavendish Audrey und Nick ein, mit ihm die Hochzeit des Milliardärs auf seiner Luxusyacht vor Monaco zu crashen. Dort sind die beiden Normalos natürlich völlig fehl am Platze. Plötzlich befinden sie sich, wie Audrey richtig feststellt, "mitten in einer Promi-Klatschgeschichte". Aber es ist auch eine familiäre Schlangengrube. Als der Milliardär, der alles seiner jungen Frau vererben will, auf der Yacht ermordet wird, zeigen die lieben Verwandten natürlich als erstes auf das schrullige Pärchen. Nun müssen Audrey und Nick schleunigst den Mörder finden, um ihre Unschuld zu beweisen.
Nicht zum Totlachen, aber unterhaltsam
Der Titel "Murder Mystery" ist hier sozusagen Programm. Der Film ist eine Parodie der bekannten "Such den Mörder"-Kriminalgeschichten von Agatha Christie wie "Tod auf dem Nil" oder "Mord im Orient-Express". Nur sind Audrey und Nick nicht ganz so genial wie Hercule Poirot. Nick ist zwar Polizist, aber auch ziemlich ignorant. Sein hauptsächliches Interesse gilt der nächsten Mahlzeit. Die detektivischen Erfahrungen von Audrey erschöpfen sich hingegen in klischeehaften Kriminalromanen.
Leider verbringt der Film beinahe das erste Drittel damit die beiden Hauptfiguren vorzustellen. Hier fehlt der Komödie nicht nur der nötige Humor, sondern auch die wohlwollende Sicht auf die beiden ziemlich klischeehaften Hauptfiguren: Der naiven Audrey ist ihr Ehemann die meiste Zeit einfach nur peinlich. Warum man Nick sympathisch finden soll, ist überhaupt ein Rätsel. Die typischen Figuren, die Adam Sandler sonst spielt, wirken ja meist ein wenig dumpf, haben aber immer eine sympathische Seite. Die ist bei Nick – zumindest anfangs – nur schwer zu finden.
Wer ist der Mörder?
Auf der Luxusyacht des Milliardärs bekommt der Film dann endlich etwas Schwung. Das Schiff ist bevölkert von überzeichneten Genre-Figuren: die jugendliche Braut Suzi (Shioli Kutsuna), die glamouröse Hollywood-Schauspielerin Grace (Gemma Arterton), der schwule Sohn und Erbe Tobey (David Walliams), der namibische Colonel Ulenga (John Kani), sein russischer Leibwächter Sergei (Ólafur Darri Ólafsson), ein stylisher Maharadscha (Adeel Akhtar), der spanische Rennfahrer Juan Carlos (Luis Gerardo Méndez) und der britische Lord Charles Cavendish.
Einer von ihnen ist der Mörder. Aber wer? Audrey und Nick haben keine Ahnung. Auch der leicht vertrottelte französische Inspector de la Croix (Dany Boon) hat keinen Plan, aber immerhin kann er bemerkenswert perfekte Rauchringe blasen. Das New Yorker Ehepaar stolpert von einem Fettnäpfchen ins nächste und löst dabei doch irgendwie den Fall. Das ist zwar durchaus unterhaltsam, aber auch nicht wirklich zum Totlachen.
Die Entscheidung für Netflix war in diesem Fall wohl die richtige. Das Geld für eine Kinokarte hätten viele wohl für einen anderen Film ausgegeben. Auf Netflix ist "Murder Mystery" aber eine kurzweilige Komödie, in die man durchaus eineinhalb Stunden investieren kann.