"Knives Out": James Bond spielt Sherlock Columbo-Poirot
Der alte Mann ist tot und die Reihe der üblichen Verdächtigen ist groß. Zu den potentiellen Verbrechern zählen zum Beispiel Chris Evans, Jamie Lee Curtis, Toni Collette, Michael Shannon und sogar Don Johnson. Zum Glück gibt es da einen Detektiv mit messerscharf kombinierenden Verstand und so kann Rian Johnsons witzig-liebevolle Hommage an die Mystery-Welt der klassischen Werke im Stil Agatha Christies ihren Ausgang nehmen. Die versammelten Familienangehörigen des reichen alten Krimiautors Harlan Thrombey (Christopher Plummer) bekommen geradezu „Eine Leiche zum Dessert“ geboten, denn der Patriarch wird die Feier seines 85. Geburtstages nicht überleben.
Eine sehr verdächtige Familie
Daniel Craig tritt diesmal nicht als James Bond in Erscheinung. 007 würde den Fall wohl blitzschnell mit reichlicher Gewaltanwendung lösen, der Amerikaner Benoit Blanc geht hingegen lieber in klassischer Detektiv-Manier jedem noch so kleinen Hinweis nach und lässt sich beim Kombinieren Zeit (was freilich noch anderen Personen das Leben kosten könnte). In langen Verhören werden die Familienangehörigen zunächst einmal vorgestellt und sie entpuppe sich als keine sehr angenehmen Zeitengossen: chauvinistische reiche Amerikaner, die nur ihren eigenen Vorteil im Auge haben und gönnerhaft über "anständige, hart arbeitende Ausländer" sprechen – zu denen auch Marta Cabrera (Ana de Armas), die Krankenschwester des Toten und einzige sympathische Person in dieser Runde, gehört. Sie ist fast zu gut für diese Welt und hat eine peinliche Angewohnheit: sie kann einfach nicht lügen. Sobald ihr eine Unwahrheit über die Lippe kommt, muss sie sich gleich danach übergeben. Also wird sie gegenüber der Polizei doch einfach nur die Wahrheit sagen, sollte man meinen.
Craig mit Südstaatenakzent
Ein Mordmotiv hätte jeder gehabt, obwohl sie das in den Verhören zu vertuschen suchen – und gerade da setzt der eigentliche Witz dieses Films ein: „Star Wars“-Regisseur Johnson („Episode VIII: Die letzten Jedi“) stellt die herkömmlichen Regeln des Whodunit-Genres nämlich genüsslich auf den Kopf. Normalerweise sollten wir keinen Wissensvorsprung vor dem Detektiv haben, damit wir dieselben Schlüsse ziehen können wie er, falls wir clever genug sind. Hier jedoch lügen die Verdächtigen, was das Zeug hält und wir erhalten durch Rückblenden Einblick in ihre persönlichen Erinnerungen: während sie dem Ermittler also Märchen erzählen, wissen wir bereits, wie es tatsächlich war und glauben, den Fall schon viel früher gelöst zu haben. Der angebliche Meisterdetektiv erscheint hingegen als ziemlicher Tölpel, der nicht mitbekommt, was direkt vor seiner Nase passiert. Aber schließlich zeigt er uns dann doch, dass wir ihn kräftig unterschätzt haben und leitet die Lösung in einer verblüffenden Reihe von Schlussfolgerungen her. Craig spielt diesen schillernden Charakter – eine Mischung aus Sherlock Holmes, Hercule Poirot und Inspector Columbo - mit wahrer Hingabe und bietet noch dazu einen dick aufgetragenen Südstaatenakzent.
„Knives Out“ ist mindestens so unterhaltsam wie eine Partie „Cluedo“ in Freundesrunde. Zur Krimispannung kommt zugleich das Vergnügen an einer sehr bissigen Satire auf das Schlechte im Menschen; und außerdem hat der Film eine der ungewöhnlichsten Autoverfolgungsjagden, die man seit langem gesehen hat, zu bieten.
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