"Joker: Folie à Deux": Kein Film für Joker-Fans
Geteilter Wahnsinn ist halt doch immer am schönsten – vor allem, wenn man dann noch gemeinsam singen kann und Lady Gaga an seiner Seite hat. Das Wiedersehen mit Joaquin Phoenix als Arthur Fleck aka. Joker ist allerdings nicht die reine Freude, sondern fühlt sich sehr seltsam an. Das liegt vor allem daran, in welche Richtung sich dieses Werk entwickelt.
Joker hinter Gittern und vor Gericht
"Joker: Folie à Deux" erzählt zwar von einer speziellen Lovestory, ist aber in erster Linie ein Gefängnis- und Gerichtsfilm, der seine Hauptfigur mit dem Strafvollzug konfrontiert (und Brendan Gleeson eine Nebenrolle als brutalem Wärter beschert). Seit zwei Jahren sitzt Arthur hinter Gittern in Arkham Asylum und wartet auf den Prozess, während Scharen einer gewaltbereiten Anhängerschaft vehement seine Freilassung fordern. Doch in seiner unmittelbaren Nähe befindet sich noch ein ganz spezieller Fan namens Harleen Quinzel, die sich später - wie wir als Comicleser wissen - auch als Harley Quinn bezeichnen wird.
Gespaltene Seele voller Musik
Aber Vorsicht: Mit der DC-Welt hat dieser Film noch weniger als der erste Teil zu schaffen, obwohl hier ein Staatsanwalt namens Harvey Dent vorkommt, in dem theoretisch ein Two-Face stecken müsste. Um zwei Seelen in einer Brust geht es trotzdem, denn es stellt sich die Frage, ob Fleck eine gespaltene Persönlichkeit ist und für seine als Joker begangene Taten keine Verantwortung trägt. Das ist eine Strategie, auf der die Verteidigung aufbaut, von der aber Quinzel nichts wissen will, weil das ihrem Bild vom angehimmelten Mann widerspricht.
Sie nutzt jede Gelegenheit, dem Häftling nahe zu kommen, und während Fleck im vorigen Film eine Beziehung führte, die nur in seinem Kopf existierte, ist sein Verhältnis zu Harleen diesmal sehr real – dafür tauchen sie nun gemeinsam in eine Phantasiewelt voller Musik ab und tanzen durch den Gerichtssaal oder steppen über die Bühne einer imaginären TV-Show. (Die berühmte Treppe kehrt als Schauplatz übrigens auch zurück, aber dort wird nicht getanzt.)
Tolle Gaga, leidender Phoenix
Lady Gaga ist natürlich als Schauspielerin wie immer eine Wucht (während sie sich gesanglich meist zurückhalten muss und nicht so loslegen darf, wie sie es eigentlich könnte), und Phoenix perfektioniert die bereits vertraute Figur unter vollem Körpereinsatz noch weiter, indem er sich bis aufs Gerippe abgemagert präsentiert. Sein Arthur Fleck bleibt nach wie vor ein Schmerzens- und Leidensmann, muss immer neue Misshandlungen erdulden und holt sich praktisch bis zur letzten Sekunde blutige Wunden.
Es wirkt eher so, als würde Phoenix seine Rolle aus "Beau Is Afraid" weiterspielen. Die Gewaltbereitschaft schlägt sich diesmal nur in Phantasievorstellungen nieder und auf das vertraute unheimliche Gelächter müssen wir lange warten, denn Fleck hat anfangs geradezu die Sprache verloren, bevor er dann schließlich eine (Sing)stimme findet, die ihm aber auch keine wirkliche Gesangskarriere einbringen würde.
Musik als Füllmaterial?
Und welche Musik erwartet uns hier überhaupt? Bereits im Vorfeld wurde bekannt, dass es keine Originalkompositionen sein werden, die zu hören sind. Also dürfen wir uns über Evergreen freuen, die man neu interpretiert? Ganz stimmt das nicht – es gibt zwar Traditionals, wie "When The Saints Go Marching In", einen Sinatra-Song wie "That’s Life" und andere Lieder von George Gershwin, Jacques Brel oder Burt Bacharach. Aber zumindest der titelgebende Song wurde von Lady Gaga geschrieben. Doch leider hat man den Eindruck, dass die Handlung oft auf der Stelle tritt und die Gesangseinlagen mitunter als bloßes Füllmaterial herhalten müssen.
Wiederholungseffekte und Längen
Ein anderes Problem tritt dadurch auf, dass wir es eben mit einer Fortsetzung zu tun haben und vor allem bei der Gerichtsverhandlung Bezug auf die Vorfälle des früheren Films genommen wird - damalige Figuren sitzen nun plötzlich im Kreuzverhör. Solche Nach-Besprechungen sollen uns die Geschehnisse wohl aus neuer Perspektive betrachten lassen, wirken aber eher wie eine zähe Wiederholung des bereits Bekannten. Die langen, immer wieder neu aufgenommenen Ergründungsversuche von Arthurs Psyche - mit kurzen Flashbacks aus dem ersten Teil - ermüden hingegen bald nur noch, ohne ein wirkliches Ergebnis zu bringen.
Enttäuschte Erwartungen
Aufschwünge, die ins Leere verlaufen, falsche Hoffnungen und totale Desillusion – wenn Regisseur und Drehbuchautor Todd Phillips tatsächlich solche Erfahrungen umsetzen wollte, hat er sein Ziel perfekt erreicht: Selten zuvor hat ein Werk die über weite Strecken aufgebaute Erwartungshaltung zuletzt derart konsequent missachtet und das Publikum so vor den Kopf gestoßen.
Natürlich ist das Unverhoffte nicht von vornherein abzulehnen – wenn jemand Erwartungen nicht erfüllt, kann das ein sehr aufregendes oder befreiendes Erlebnis sein. Aber die hier vorgeführte Demontage einer Figur läuft einfach auf eine viel zu große Enttäuschung hinaus. Hat Phillips den Film nur gedreht, um all jenen den Wind aus den Segeln zu nehmen, die nach einer weiteren Fortsetzung verlangen könnten? Das Werk entlässt uns zugleich mit der beunruhigenden Frage: Haben wir etwa die ganze Zeit auf einen falschen Joker gesetzt?
2 ½ von 5 traurigen Clowns
"Joker: Folie à Deux" läuft gerade in unseren Kinos. Hier geht's zu den Spielzeiten!