"Gladiator II"-Kritik: Haie im Colosseum
Jetzt schlüpft also Paul Mescal in seine Kampfsandalen und ist bereit für kolossale Action im römischen Colosseum. Der neue Gladiator Lucius ist ein Fan des alten, denn er blickte einst als Junge zu Maximus (Russel Crowe) als Helden auf und musste miterleben, wie dieser erniedrigte Feldherr in der Arena gestorben ist. Ausgerechnet der mörderische Kaiser Commodus (Joaquin Phoenix), den Maximus mit letzter Kraft noch ins Jenseits befördern konnte, ist Lucius' Onkel gewesen.
Lucius als neuer Maximus
Und wie ist es dem Jungen seither ergangen? Prinz Lucius Verus hatte auch nicht gerade viel Glück und teilt mit seinem Vorbild ein ähnliches Schicksal. Er lebt seit Jahren unter falschem Namen weitab von Rom, doch nun holt ihn die Vergangenheit ein und er gerät in Gefangenschaft und Sklaverei. Somit tritt er recht bald in Maximus' Fußstapfen - deshalb heißt der Film ja schließlich auch "Gladiator II".
Geklärte Familienverhältnisse
Es braucht seine Zeit, bis es zu einer Art Familienzusammenführung kommt und die Verwandtschaftsverhältnisse geklärt sind. Drehbuchautor David Scarpa, der bereits das Skript zu Scotts vorherigem Werk "Napoleon" beisteuerte, hat sich jedenfalls eine gute Wendung einfallen lassen, um das Andenken des früheren Gladiators zu wahren. Bereits der animierte Vorspann stimmt nostalgisch auf die Thematik ein und lässt uns mit Maximus noch einmal wichtige Momente durchleben.
Der Traum vom neuen Rom als Alptraum
Connie Nielsen kehrt in ihrer Rolle als Lucilla zurück – inzwischen ist sie die Frau des Feldherren Marcus Acacius (Pedro Pascal). Das Ehepaar trägt sich mit gefährlichen Gedanken und versucht, das Erbe von Lucillas Vater, dem visionären Kaiser Mak Aurel, zu verwirklichen. Immer wieder wird dessen hoffnungsvoller "Traum von Rom" beschworen, obwohl es eher danach aussieht, als würde die Hauptstadt gerade einen Alptraum durchleben, in dem nur das Recht des Stärkeren zählt. Ein kaiserliches Brüderpaar stürzt Rom nämlich in einen Strudel aus Korruption und Gewalt. Tatsächlich gibt es diesmal nicht nur einen verrückten Kaiser, sondern gleich ein Psychopathen-Duo in Gestalt von Geta (Joseph Quinn aus "Stranger Things") und Caracalla (Fred Hechinger).
Denzel Washington als zweite Hauptfigur
Denzel Washington vervollständigt den tollen Cast. Er spielt Macrinus, Waffenhändler und Herr der Gladiatoren und es erweckt den Anschein, als würde er den direkten Nachfolger von Proximo (Oliver Reed), dem Leiter der Gladiatorenschule, bilden. Doch das stimmt nur begingt, da Macrinus nach Höherem strebt und keine Nebenfigur bleibt, sondern eigentlich zum zweiten Hauptdarsteller wird, der sich perfekt aufs Intrigieren versteht.
Schlachtgetümmel in der Arena
Ridley Scott versucht fast 25 Jahre später, sich im Inszenieren von opulentem Kampfgetümmel noch einmal selbst zu übertreffen und bekommt das erstaunlich gut hin. Der kampftechnische Höhepunkt ist eindeutig eine nachgestellte Seeschlacht in der gefluteten Arena – und im Wasser wimmelt es obendrein nur so von Haien, damit keiner, der über Bord geht, auch nur die geringste Chance hat. Von Tieren scheint Scott aber nicht allzu viel zu verstehen, denn beim allerersten Gladiatoren-Kampf stürmen wilde Affen in die Arena, die so computergeboren aussehen, dass es eine wahre Affenschande ist.
Ridley Scott in alter Stärke
Der eigentliche Entscheidungskampf findet dann übrigens gar nicht mehr in Colosseum statt, sondern wird auf offenem Feld ausgetragen. Das erweist sich als kluge Entscheidung von Scott – er verlässt sich nicht aufs bewährte Rezept und durchbricht das alte Schema. Das Ergebnis gibt ihm Recht: Dieser neue Gladiator reicht vielleicht nicht ganz an die Stärke des alten heran, bleibt ihm aber in Sachen Dramatik und Spannung nichts schuldig. Vor unseren Augen entfaltet sich das monumentale Panorama eines krisengeschüttelten Weltreiches (und zum Glück spielt das Tierreich eine untergeordnete Rolle, denn da hätte Scott garantiert versagt).
4 von 5 blutgetränkten Arena-Sandkörnern
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