"Gemini Man": Will Smith kämpft optisch eindrucksvoll gegen sich selbst

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Die Geschichte ist eher das Gegenteil von innovativ, aber dafür macht Ang Lees Film optisch etwas her.

Um Ang Lee ist es länger still geworden („Life of Pi“ liegt auch schon wieder sieben Jahre zurück). Nun kommt er mit einem neuen Film – und der ist ausgerechnet ein Action-Reißer. Das wirkt ziemlich überraschend, denn seine Werke sind eigentlich nie richtig massentauglich gewesen; auch die „Hulk“-Version von 2003 hat eher an ein Shakespeare-Drama als an ein Marvel-Comic erinnert.

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Will Smith zeigt sein jüngeres Ich her

Digitale Verjüngung

Die Geschichte von „Gemini Man“ wirkt nicht gerade originell, denn 2012 hat sich in „Looper“ bereits ein anderer Auftragskiller mit seinem aus der Zukunft angereisten Selbst herumgeschlagen. Waren die Rollen damals noch auf zwei Darsteller aufgeteilt (Joseph Gordon-Levitt und Bruce Willis), legt diesmal Will Smith ein Doppel-Solo hin, weil die künstliche Verjüngung durch Computerhilfe derzeit sehr angesagt ist – erst kürzlich wurde sie zum Beispiel an Samuel L. Jackson in „Captain Marvel“ praktiziert. Mit Zeitreise hat die Story im aktuellen Film allerdings nichts zu tun, sondern die Verzweifachung wurden mittels Gentechnik erreicht. Ansonsten erweist sich das Werk als typischer Actionfilm ohne große Überraschungen.

 

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Henry (Will Smith) erhält Hilfe von einer Agentin (Mary Elizabeth Winstead)

Schablonenhafte Handlung

Ein Killer in Regierungsdiensten wird von seinen Auftraggebern hinters Licht geführt und als er zu viel über deren wahre Machenschaften zu erfahren droht, setzen sie ihn selber auf die Abschussliste. Hilfe findet er in einer jüngeren Agentin (Mary Elizabeth Winstead) und einem alten Freund, der sich am wohlsten hinter dem Steuer eines Flugzeugs fühlt: das ungleiche Trio kämpft sich über etliche internationale Schauplätze (darunter auch Budapest) der Wahrheit immer näher. All das wurde schon unzählige Male in diversen Filmen erzählt. Ang Lee will die reine Actionhandlung noch mit Hilfe einiger tiefergehender Dialoge aufwerten, wozu ihm die beliebte Identitätsfrage und eine problematisch gewordene Beziehung zu einem Adoptivvater dienen, doch wirklich überzeugend wird „Gemini Man“ auch dadurch nicht. Als gegen Ende noch dazu eine Art Terminator ins Spiel kommt, glaubt man vollends im falschen Film gelandet zu sein.

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Die Action kann sich immerhin sehen lassen

High Frame Rate in 3D

Immerhin darf man sich auf ein ziemlich beeindruckendes Kinoerlebnis freuen, wenn man sich den Film in 3D und High Frame Rate ansieht: glasklare Bilder mit gestochener Tiefenschärfe machen optisch etwas her. Auch einige Actionszenen haben das Zeug dazu, legendär zu werden;  zum Beispiel als sich Smith mit seinem jüngeren Selbst eine Verfolgungsjagd auf Motorrädern liefert, was in einem Kampf auf Leben und Tod endet. Ang Lee hat das adrenalinhaltige Treiben mit vollendeter technischer Perfektion inszeniert; und sehr zum Unterschied mancher Kollegen verzichtet er dabei auf hektische Schnitte, sondern erweckt den Eindruck, fast alles wäre in einer einzigen langen Einstellung gedreht worden. Das Regierungsprojekt von Super-Soldaten dürfte im Film wohl zum Scheitern verurteilt sein, aber Lee erweist sich mit seinen 65 Jahren als Superregisseur, der sein Handwerk wirklich versteht – bloß ein besseres Drehbuch wäre ihm diesmal zu wünschen gewesen.

3 ½ von 5 Will Smith-haltigen DNA-Proben