"Chantal im Märchenland": Statt Göhte nun Gebrüder Grimm
Chantal aus Kreuzberg ist zurück! Freut euch auf dumme Aussagen, eine ganz besondere Aussprache und eine junge Frau, die gewohnt kein Blatt vor den Mund nimmt. Im "Fack ju Göhte"-Spin-off verschlägt es Jella Haase in die Märchenwelt. Dort räumt sie mit Märchenklischees auf, ist erstaunlich feministisch und erinnert sogar an Elodie aus dem Netflix-Film "Damsel". Hier ist unsere Kritik zu "Chantal im Märchenland".
Worum geht's in "Chantal im Märchenland"?
Chantal (Jella Haase), ewige Influencerin ohne Follower:innen, und ihre beste Freundin Zeynep (Gizem Emre) geraten durch einen antiken Zauberspiegel, den sie für ein Social Media Gimmick halten, in die Märchenwelt. Mit so einer krassen Prinzessin haben die heiratswütigen Prinzen nicht gerechnet. Dank Ghetto-Skills räumt Chantal mit reaktionären Märchenklischees auf, kämpft gegen Flüche, tyrannische Könige – und vor allem um ihre Freundschaft zu Zeynep.
Es war einmal ...
Statt Goethe geht's nun also den Gebrüdern Grimm an den Kragen. "Chantal im Märchenland" lebt von den vielen Anspielungen Chantals auf die reale Welt. Typisch Chantal nimmt sie kein Blatt vor den Mund und irritiert so die Märchenfiguren mit ihrer komischen Sprache, auf die sie auch gerne angesprochen wird. Es kommt immer wieder zu Kollisionen zwischen der Realität und der Märchenwelt, in der die grundverschiedenen Lebenswelten aufeinanderprallen. So sorgt Chantals Tanga stets aufs Neue für Verwirrung und als "Influencerin" kann Chantal natürlich nicht ohne ihr Handy.
Solche Running Gags ziehen sich durch den gesamten Film und sorgen beim Publikum für Schmunzler. Bei einem Film, der sich "Chantal im Märchenfilm" nennt, mussten solche Querverweise ja beinahe kommen. Wir finden, Regisseur und Drehbuchautor Bora Dagtekin hat die Erwartungen an den Film absolut erfüllt. Chantal ist sich treu geblieben und die Märchenwelt hat humoristisch den richtigen Ton getroffen.
Fehlender Handlungs- oder Spannungsbogen
Woran es "Chantal im Märchenland" aber dann doch mangelt? Vor allem an ernstzunehmenden Gegner:innen. Diese wechseln so schnell zwischen Freund und Feind, dass man fast gar nicht mehr mitkommt. Dadurch stellen sie keine bedeutende Bedrohung dar, weshalb sie auch nichts zur Spannung im Film beitragen.
Abgesehen davon versucht der Film, den Zuschauer:innen am Ende weiszumachen, dass es eigentlich die ganze Zeit um die Freundschaft zwischen Chantal und Zeynep geht. Um das zu erreichen, wird ein Konflikt zwischen den beiden eingestreut, der ziemlich erzwungen daherkommt – und somit erneut wenig Bedeutung hat und damit auch wenig Spannung erzeugen kann. Hier wird deutlich, dass den Macher:innen klar wurde, dass sie noch einen Höhepunkt brauchten, damit Chantal sich voll und ganz zu einer selbstständigen Heldin (und der von Zeynep) entwickeln kann. Diese Idee wirkt aber leider nur halb durchdacht und enttäuscht eher. Diesen Konflikt hätte es nicht gebraucht.
An welches Publikum richtet sich "Chantal im Märchenland"?
Natürlich wird das Spin-off keine Oscars gewinnen oder das deutsche Kino zu einem neuen Qualitätshoch verhelfen. Dessen sind sich wohl alle bewusst. Genau deshalb muss man den Film als das sehen, was er ist: "Chantal im Märchenland" weiß, so wie "Fack ju Göhte", zu unterhalten und zum Lachen zu bringen. Eine gute Zeit hat man mit dem Film auf jeden Fall, zu viel nachdenken sollte man gleichzeitig aber nicht.
Dass ausgerechnet Chantal ein Spin-off zuteilwurde, verwundert nicht. Immerhin war die etwas dümmliche Schülerin schon immer der absolute Höhepunkt der Filmtrilogie. So ist zum Beispiel der Sager "Chantal, heul leise!" bis heute legendär. Jella Haase nach all ihren Erfolgen (zum Beispiel mit der Netflix-Serie "Kleo") wieder in die Rolle schlüpfen zu sehen, die sie über Nacht berühmt gemacht hat, ist ein wahres Fest und erzeugt auch ein wenig Nostalgie-Gefühle.
Fans der Filmtrilogie mit Elyas M'Barek dürfen sich somit auf jeden Fall auf den Ableger freuen. "Chantal im Märchenland" weiß nicht nur durch einen Gastauftritt des Schauspielers zu begeistern, sondern bietet eine angemessene Rückkehr in die "Fack ju Göhte"-Welt.
Das deutsche "Damsel"?!
Was haben eine Netflix-Produktion aus Hollywood mit einer deutschen Parodie auf Märchenfilme gemeinsam? Erstaunlich viel. In beiden Filmen wehrt sich die weibliche Hauptfigur nicht nur gegen ihre Feind:innen, sondern auch gegen Klischees. So brauchen sie keinen Prinzen, der sie rettet und sorgen ganz von selbst für ihr Happy End. Sowohl Elodie als auch Chantal sind also emanzipiert und feministisch.
Wie sehr "Chantal im Märchenland" politisch korrekt sein möchte, zeigt sich darin, wie oft (auf humoristische Weise) auf feministische Themen wie Gleichberechtigung der Geschlechter hingewiesen wird. Im Großen und Ganzen geht dieser fast schon satirische Teil auf: Er bringt gleichermaßen zum Lachen, führt einem aber auch die aktuelle Lage von Mann und Frau (im Märchen) vor Augen.
Auch wenn der deutsche Ableger mit Sicherheit nicht so viel Budget hatte wie der Film mit Millie Bobby Brown, so können doch beide Werke mit einem Drachen aufwarten. Was wäre auch ein Märchenfilm ohne Drachen? Das ist nur einer der Punkte, an denen man "Chantal im Märchenland" deutlich anmerkt, wie viel Mühe sich gegeben wurde: Das CGI macht einen (für eine deutsche Produktion) erstaunlich überzeugenden Eindruck. Auch die Landschaften, die mit Sicherheit nicht in Deutschland aufgenommen wurden, verzaubern.
Abgesehen davon präsentiert das "Fack ju Göhte"-Spin-off namhafte, deutsche Schauspieler:innen wie Frederick Lau, Nora Tschirner, Maria Ehrich und Elyas M'Barek, denen in jeder Szene anzumerken ist, dass sie sich selbst nicht zu ernst nehmen und Spaß beim Dreh hatten. Letzteres wird auch beim Abspann deutlich, wenn ein große Menge an Bloopers auf das Publikum losgelassen werden.
Fazit zu "Chantal im Märchenland"
Wie ihr merkt: Wir sind hin- und hergerissen.
Einerseits wartet der satirische Märchenfilm mit einer erstaunlichen Qualität auf und liefert genau die Unterhaltung, die man sich von einem Film mit dem Titel "Chantal im Märchenland" wünscht und erwartet. An vielen Stellen erinnert das Spin-off sogar an den Netflix-Film "Damsel", sowohl im positiven als auch im negativen. Andererseits mangelt es an starken und überzeugenden Gegner:innen und mitreißenden Wendungen, sodass der Film nicht ganz zu unterhalten weiß und sich in die Länge zieht.
Wertung: 3 von 5 Kronen
"Chantal im Märchenland" ist aktuell im Kino zu sehen. Hier geht's zum Kinoprogramm!