"Barbie": Margot Robbie als Puppe in der Sinnkrise
Ist Greta Gerwig nicht schon ein bisschen zu alt, um noch mit Puppen zu spielen? Mag sein – aber wenn die Puppe Barbie heißt und wie Margot Robbie aussieht, kann man schon verstehen, dass die Regisseurin von "Lady Bird" und "Little Women" Gefallen an diesem Filmprojekt gefunden hat. Man füge noch Ryan Gosling als Ken hinzu, und das satirische Puppentheater kann beginnen.
Hier ist unsere Kritik zu "Barbie":
Alptraum in Pink namens Barbieland
Natürlich lebt Barbie in ihrem eigenen Land inmitten unzähliger Artgenossinnen. Alles ist dort sehr pink und absolut perfekt: Die Barbies sind immer gutgelaunt, tiptop gestylt, gehen auf den Zehenspitzen, feiern täglich Mädelsabend und geben den Ton an. Wie uns Helen Mirren als Erzählerin gleich anfangs informiert, konnte nämlich dank Erfindung dieser Puppe die Frage der Gleichberechtigung gelöst und der Feminismus endgültig verwirklicht werden – zumindest in Barbieland.
Die vielen Kens dienen eher als Staffage und Stichwortgeber. Damit haben sie auch kein Problem – bis auf einen, der wie Ryan Gosling aussieht. Dem genügt es bald nicht mehr, immer nur die zweite Rolle zu spielen – und unglücklich verliebt ist er obendrein in Barbie, obwohl er nicht so genau weiß, wie Liebe eigentlich funktioniert (was in diesem Alptraum aus Pink auch gar nicht vorgesehen ist).
Barbie und Ken auf Sinnsuche in Los Angeles
Doch eines Tages vergeht unserer Barbie das Dauerlächeln: Als sie das Wort "Sterben" in den Mund nimmt, beginnt plötzlich alles für sie schiefzulaufen und dann bildet sich auch noch Zellulitis auf ihren Beinen. Um herauszufinden, was da passiert ist, tritt sie eine Reise in unsere reale Welt an, und Ken lässt es sich nicht nehmen, ihr Begleiter zu sein.
Beide werden im heutigen Los Angeles sehr unterschiedliche Erfahrungen machen und nach ihrer Rückkehr kündigt sich in Barbieland eine grundlegende Veränderung an. Ist die Zeit für's Patriarchat gekommen?
Ernste Themen in bunter Verpackung
Auch im wahren Leben fand eine Zusammenarbeit zwischen Barbie und Ken statt – bloß heißen sie hier Greta Gerwig und Noah Baumbach. Das kreative Ehepaar hat nach "Frances Ha" erneut ein Drehbuch miteinander verfasst. Dieses vordergründig bunte Gewusel mit satirischen Filmzitaten kann nicht verbergen, dass sehr ernste Themen zur Sprache kommen.
Hier werden Rollenbilder, Geschlechterfragen, Weiblichkeit-Klischees und grenzwertige Männlichkeitsideale durcheinandergewirbelt. Teils sehr subtil, teils komödiantisch – und zwischendurch kann sich der Film sogar in ein Musical verwandeln. Als Barbie dann zuletzt ihrer Schöpferin gegenübersteht und einen besonderen Wunsch äußert, ist das tatsächlich ein berührender Moment.
Seltsame Barbie
Von all den anderen Barbie-Modellen verdient Kate McKinnons "seltsame Barbie" besondere Erwähnung. Die Puppe erhielt diesen Spitznamen, nachdem ein Kind mit ihr zu wild gespielt und deutliche Spuren – wie etwa Gesichtsbemalung – an ihr hinterlassen hat. Seither verfügt sie über einen besonderen Draht zur Realwelt und betätigt sich als Seelenguru für unsere Barbie. Bei den Kens zeichnet sich speziell Simu Liu als Goslings Gegenspieler aus, aber auch John Cena lässt sich einen Gastauftritt als meergeborener Ken nicht nehmen.
Will Ferrell als Puppen-Mutter
Und dann kommt auch noch dem Spielzeugkonzern Mattel eine sehr doppeldeutige Rolle zu, denn als Barbie in der Firmenzentrale – einem phallischen Hochhaus – auftaucht, sitzt in der Chefetage ausschließlich eine Männerrunde um den Konferenztisch. Als Oberboss erleben wir Will Ferrell, der hier mit seinem ausgefeilten Humor punkten kann: Beim Besuch in Barbieland fordert er die Puppen zum Beispiel auf, ihn mit "Mutter" anzureden.
Mattel scheint somit über genügend Selbstironie zu verfügen – aber immerhin ist es ja auch eine gute Werbung, denn im Abspann werden noch einmal alle gezeigten Barbie-Modelle untergebracht (obwohl im Film über Profitgier und Vermarktung hergezogen wird).
Wird man also nach diesem Werk immer noch oder sogar verstärkt mit Barbie-Puppen spielen wollen? Ich jedenfalls nicht – aber das hätte ich sowieso nicht getan. Margot Robbie hat sich jedenfalls bei den nächsten Oscars eine Ehren-Barbie verdient (die dann selbstverständlich von Ken Gosling verliehen wird).
4 von 5 pinken Puppenaugen
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