"A Quiet Place: Tag Eins": Mit Pizza und Katze zur Apokalypse
Bitte recht leise, dann verrate ich euch, wie die geräuschempfindlichen Alien-Monster aus den beiden "A Quiet Place"-Filmen eigentlich auf die Erde gekommen sind. Moment – haben ich da nicht gerade etwas gehört? So geht's wirklich nicht: Wenn ihr nicht absolut still seid, werdet ihr höchsten die ersten paar Zeilen dieser Filmkritik zu lesen bekommen. Ich bin zwar kein fremdartiges Ungeheuer, brauche aber zum Schreiben völlige Ruhe, weil ich mich sonst nicht konzentrieren kann. Na also, warum nicht gleich so?
Ausflug ins Inferno
Bereits Teil 2 dieser Filmreihe hat uns für wenige - aber dafür umso effektvollere - Minuten zu Tag 1 der Alien-Invasion zurückgeführt; allerdings stand damals ausschließlich Familie Abbott im Mittelpunkt. Diesmal müssen wir ohne Filmmutter Emily Blunt und ihre Kinder auskommen, denn in Gestalt der New Yorkerin Sam (Lupita Nyong'o) erscheint eine völlig neue Hauptfigur – und zwar eine besonders tragische, da sie unter Krebs im Endstadium leidet und in einem Hospiz untergebracht wurde. Ihr Ausflug in die Innenstadt sollte bloß etwas Abwechslung bieten, wird aber erst recht zum Horrortrip, als aus heiterem Himmel das Inferno über New York City hereinbricht.
Ein bekanntes Gesicht ist doch dabei
Es herrscht Ausnahmezustand und wenn jemals Katastrophenalarm angebracht war, dann an diesem Tag. Im Unterschied zu den handelnden Personen wissen wir ja bereits, was sie erwartet und wie die Bedrohung aussieht. Doch selbst wer noch nie etwas von "A Quiet Place" gehört haben sollte, wird sich sofort zurechtfinden, da der Mensch von Natur aus ein anpassungsfähiges Lebewesen ist – obendrein in Extremsituationen. Dass wir hier nur auf unbekannte Gesichter treffen, stimmt übrigens nicht ganz: Zumindest Djimon Hounsou lässt das Gefühl von Kontinuität aufkommen, wenn er gegen Anfang und Ende als Figur auftritt, die uns schon aus dem zweiten Teil vertraut ist.
Hindernisschleichen durch New York City
Bilder von ausgestorbenen Großstädten haben wir noch alle aus der Coronazeit vor Augen, bloß sind damals die Straßen nicht in Schutt und Asche gelegen - in "Day One" kommt somit noch ein heftiges 9/11-Szenario hinzu. Die Handlung lässt sich sehr knapp zusammenfassen: Zwei Menschen und eine Katze bahnen sich einen möglichst lautlosen Weg durch die Spuren der Katastrophe. Sie absolvieren ein Hindernisschleichen in den Straßenschluchten; und da es hilft, ein Ziel vor Augen zu haben, will sich Sam unbedingt in Harlem eine Pizza holen.
Schreie zum Donnerkrachen
"A Quiet Place: Tag Eins" ist ein Film mit vielen ruhigen Momenten; was jetzt gar nicht ironisch gemeint sein soll, sondern ein Kompliment für den Regisseur darstellt. Michael Sarnoski hat sich durch das eigenwillige Schweinedrama "Pig" mit Nicolas Cage schon einen Namen gemacht. Auch im SciFi-Horror gelingen ihm nun als Nachfolger John Krasinksis (der sich diesmal auf die Mitarbeit am Drehbuch beschränkte) Szenen von großer Eindringlichkeit. Etwa wenn Sam und ihr Begleiter Eric (Joseph Quinn aus "Stranger Things") während eines Gewitters endlich eine Möglichkeit finden, zeitgleich mit dem Donnerkrachen ihre aufgestauten Gefühle von Angst, Schmerz und Zorn frei hinausbrüllen.
Stillleben der Verwüstung
In diesem ungewöhnlichen Monsterfilm ist das zentrale Thema die Tragik des Abschiednehmens, verbunden mit einer letzten Rückkehr an Orte der Kindheit; dabei - im Wechsel zwischen Massenpanik und Einzelschrecken - immer den drohenden Tod vor Augen. Das eigentlich Sensationelle an diesem Werk sind nämlich gar nicht grausige Aliens, sondern das Aussehen einer zerstörten Großstadt, die in geradezu poetischen Bildern eingefangen wird. Sozusagen Stillleben der Verwüstung: Da gibt es Bücher, die im überfluteten Rinnstein dahintreiben oder ein verlassenes Schachbrett unter freiem Himmel, das bereits zu einem Teil der Natur wird.
Ob Sams Pizzawunsch in Erfüllung geht oder ob sich die guterzogene Katze vielleicht doch einmal vergisst und ein fatales "Miau" ausstößt, halte ich selbstverständlich geheim, aber das Folgende kann gar nicht laut genug gesagt werden (selbst auf die Gefahr hin, dass mich die Monster holen): Sarnoski gelingt tatsächlich das Wunder eines kompletten Neuanfangs, sein Film wird sogar zum bisher besten dieser Reihe – und das Ende hallt gewiss noch lange in uns nach.
4 ½ von 5 lautlosen Jubelrufen
Wo ist "A Quiet Place: Tag Eins" zu sehen?
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