"365 Days: Dieser Tag": Der schlechteste Netflix-Film ever?
Für all jene von euch, die "365: Days: Dieser Tag" tatsächlich wegen der Handlung anschauen, beginnen wir mit einem kurzen Überblick über den ... naja, Plot kann man es nicht nennen, aber halt etwas, das die AutorInnen dafür halten. Keine Sorge, das Ganze ist schnell abgehandelt, denn die Handlung (und auch bei diesem Wort sind wir sehr großzügig) passt problemlos auf eine Kondomverpackung:
Am Ende von Teil Eins ist Laura (Anna Maria Sieklucka) ja bekanntlich in irgendeinem Tunnel verschwunden und wurde Opfer eines Attentats von Massimos (Michele Morone) Mafia-Feinden. Aber eigentlich ist das ganz egal, denn auf diesen – durchaus wirksamen – Cliffhanger wird in Teil Zwei so gut wie nicht eingegangen, die Handlung setzt später ein.
Nur ganz kurz erfahren wir, dass der Tunnel-Hinterhalt doch Auswirkungen hatte: Laura hat nämlich ihr ungeborenes Baby dabei verloren, doch Massimo weiß bis heute nicht, dass sie überhaupt schwanger war. Was genau im Tunnel passierte, ist in der Welt von "365 Tage" egal und lenkt nur zu sehr vom Wichtig-Unwichtigen ab. Und auch Laura leidet nicht sonderlich unter dem erlittenen Trauma. Wieso auch, Luxus und Sex verdrängen schließlich alle Sorgen, so die durchgehende Message im Film.
Laura ist nach wie vor Gefangene
Laura und Massimo heiraten, die Flitterwochen sind erotisch aufgeladen wie ein pubertierender Bursche in seiner Hoch-Zeit und das Leben ist schön. Doch Laura ist immer noch Massimos Gefangene, das Gefängnis nennt sich nun Ehe, so sehr ist Massimo ein Kontrollfreak. Vernachlässigtes-Luxus-Weibchen-Trope: Been there, done that!
Als Laura Zeugin wird, wie Massimo sie (vermeintlich?!) mit seiner Ex Anna (Natasza Urbanska) betrügt, packt sie kurzerhand die Sachen und brennt mit Massimos sexy Gärtner Nacho (Simone Susinna) durch, der auch ganz zufällig da ist und natürlich haargenau derselbe Typ Mann wie Massimo ist, nur mit ein bisserl mehr Emotionen – und der derart plump eingeführt wird, dass man sich unweigerlich fragt, ob hier ein Volksschul-Kind für das Skript verantwortlich war (aus offensichtlichen Gründen: hoffentlich nicht!).
Laura und Nacho verlieben sich, aber bald stellt sich heraus, dass nichts so ist, wie es zu sein scheint – und damit hat unter anderem auch Massimos böser Zwillingsbruder (!) Adriano zu tun ...
Filmischer Kollateralschaden
Es ist zugegeben keine Überraschung, aber wir betonen es trotzdem – in der Hoffnung, euch rechtzeitig vor einer sinnlosen Zeitverschwendung zu retten, denn das Leben ist einfach zu kurz: "365 Days: Dieser Tag" ist ein filmischer Kollateralschaden und wahrscheinlich der absolut schlechteste Netflix-Film aller Zeiten. Es gibt so gut wie nichts, was hier funktioniert – nicht mal der Sex, und ja, das tut wirklich im Herzen weh.
Denn die Sexszenen waren in "365 Tage" die Kernkompetenz des Films, der sich zwar auch bereits auf Daily-Soap-Niveau bewegte, aber immerhin trotzdem Spaß machte und die Hormone in Wallungen brachte, dank höchst authentischer, prickelnder und sehr ausführlicher Intimfight-Szenen. Szenen, die bei allen Pornhub-Emotionen sogar zu so etwas wie der Charakterisierung und einem Psychogramm der Figuren beitrugen.
Klar, der Film war eine Porno-Parodie des Stockholm Syndroms, romantisierte psychische und sexuelle Gewalt, war problematisch von der ersten Sekunde an. Aber gerade dieses Skandalöse, diese (berechtigte) Aufregung in Mainstream-Verpackung machte die Faszination von "365 Tage" aus.
Alles Skandalöse wurde gestrichen
Im Gegensatz zum ersten Teil hat Netflix das Sequel nun aber selbst produziert – und dabei wie gewohnt auf sein Image geachtet, was dem Franchise jeglichen Spaß und jegliche Schärfe genommen hat. Die Sexszenen sind zwar immer noch reichlich vorhanden (bereits in Minute Drei geht's zur Sache und so geht's auch die nächsten 20 Minuten weiter), aber das Prickelnde ist einem Gähnen gewichen, scharf ist hier höchstens noch die Bildauflösung.
Das aufregende Spiel mit der Dominanz wurde beinahe vollends gestrichen und musste der Romantik weichen, was für ein Softporno-Samstagnacht-Filmchen der Todesstoß ist. Authentisch ist hier auch nichts mehr, in einer Szene ist sogar recht deutlich, dass das biologisch gar nicht möglich ist, was Massimo und Laura hier treiben. Die uns schlaflos machende Frage aus Teil Eins, ob der Sex im Film echt ist, stellt sich nicht mehr. Die Szenen sind (großteils) kurz, lieblos und nicht der Rede wert.
Dank der hauseigenen Produktion darf Laura zwecks "female empowerment"-Message (die gründlich nach hinten losgeht) aber etwas eigenständiger agieren als in Teil Eins sowie immerhin an zwei Stellen des Films erwähnen, dass die Story, die "365 Tage" erzählt, sehr problematisch ist, wegen Entführung, Missbrauch und so weiter. Diese Meta-Ebene mag einem zwar ein Lächeln abringen, trägt aber rein gar nichts zur Tiefe der Story oder der Figuren bei.
Sogar "Peppa Wutz" ist tiefgründiger
Denn eine Story ist so gut wie nicht vorhanden, der Film ist so tiefgründig wie eine Pfütze in der Großstadt, sogar "Peppa Wutz" kommt im Vergleich wie eine Meister-Analyse des menschlichen Verhaltens daher. Oder anders ausgedrückt: Ihr könnt daneben eure Steuererklärung machen und dem Film immer noch problemlos folgen.
Laura ist in ihrem Verhalten gewohnt inkohärent, Massimo nach wie vor das Abziehbild der toxischen, aber doch verführerischen Männlichkeit mit maximal zwei Gesichtsausdrücken. Die Nebenfiguren bleiben erschreckend blass. Die schauspielerischen Leistungen bewegen sich ebenfalls weiterhin auf Soap-Niveau, wobei die DarstellerInnen bei aller Fairness bis zum Finale (das ebenfalls laienhaft gespielt wird) schlicht nichts zu tun bekommen: Außer shoppen, am Strand liegen, Sex haben, böse schauen und in Designer-Klamotten schön aussehen müssen sie nichts tun.
Die Handlung nimmt erst ab Minute 50 etwas (!) an Fahrt auf, davor passiert so gut wie rein gar nichts. Wir bekommen unmotiviert zusammenhängende Urlaubsbilder-Collagen mit aufdringlichen (aber mitunter mitreißenden) Pop-Rock-Songs präsentiert, die zwar für sich alleine stehend sehr schön aussehen (und gut klingen), aber am Ende mehr wie mehrere aneinanergereihte Musikvideos als ein zusammenhängender Spielfilm anmuten. Wirklich jede Szene ist mit einem anderen Song unterlegt, der sicherstellen soll, dass das Publikum das empfindet, was es empfinden soll. Handlung und SchauspielerInnen allein schaffen das nämlich nicht.
Die Twists sind durch die Bank vorhersehbar und kommen ohne jegliche Spannung daher, die (hölzernen) Dialogzeilen lassen sich – auch wegen dem Soundtrack – bis zum Schluss an beiden Händen abzählen. Und der erzwungene Humor? Schlicht nicht lustig. Kurz: Sogar bei Pornhub ist das Drehbuch besser.
Nicht mal mehr die Oberfläche glitzert
Zum Schluss hin vernachlässigt "365 Days: Dieser Tag" die Erotik vollständig und will auf Biegen und Brechen ein packender Mafia-Thriller sein – unweigerliches Slow Motion inklusive – wozu es aber an Talent sowohl vor als auch hinter der Kamera fehlt. So gut wie jedes Klischee wird hier bedient – was aber wiederum konsequent ist, denn das tut der Film von Beginn an (und auch schon im ersten Teil). Das Finale, erneut mit Cliffhanger, ist eher unfreiwillig komisch als dramatisch, der emotionale Moment darin komplett verschenkt.
"365 Days: Dieser Tag" ist also Quatsch auf ganzer Linie, selbst für erotische Stunden mit sich allein oder zu zweit ist er nicht geeignet. Schade, Potenzial wäre durchaus da gewesen: So hätte man Anna und Adriano als (noch) düstereres Pendant zu Laura und Massimo inszenieren können, was aber von Beginn an im Keim erstickt wird. Auch der Plot der Verlobung zwischen Olga (Magdalena Lamparska) und Domenico (Otar Saralidze), die diesmal auch endlich Sex haben dürfen, wird ohne Erklärung fallengelassen.
Aber eigentlich ist das auch schon egal: Die Faszination der menschlichen Sexualität und die Bedürfnis-Befriedigung nach seriellem Drama, leichter Unterhaltung und sexy Menschen des ersten Teils sind verflogen. Übrig geblieben ist stinkfader Trash ohne jegliches Augenzwinkern, der nicht mal mehr an der Oberfläche glitzert.
"365 Days: Dieser Tag" ist auf Netflix zu sehen. Hier geht's direkt zum Film!