ELEKTROMAGNETISCHE ALIENS IN MOSKAU

Seit der Ostblock in die Hände Hollywoods gefallen ist, wird er stärker verwüstet, als in Zeiten eines intakten Eisernen Vorhangs. Gerade flogen Tom Cruise in seiner neuesten „Mission: Impossible“ die Gesteinsbrocken des Kremls um die Ohren und nun verwandelt sich unter Chris Goraks Regie durch den Angriff einer außerirdischen Spezies gleich die ganze Stadt Moskau in ein Katastrophengebiet.

Dabei wirkt die Bedrohung auf den ersten Blick gar nicht so gefährlich, sondern eher wie ein Nordlicht-Phänomen, bei dem sich orange Leuchtkugeln auf die Erde herab senken. Doch wer mit ihnen in Kontakt gerät – egal ob Mensch oder Tier –, wird in Sekundenschnelle elektromagnetisch pulverisiert. Eine saubere Lösung, sozusagen, bei der aber alles so rasch vorbei ist, dass beim Zuschauer im sicheren Kinosessel gar kein echtes Entsetzen aufkommen will – sorry, auch die 3D-Technik hilft da keineswegs, denn im Raum herumschwebende Staub- oder Rußpartikel erzeugen höchstens Hustenreiz, aber keine Gänsehaut. Mit dem Fürchten klappt es also nicht. Da wäre es zum Ausgleich dringend nötig, vielleicht noch den einen oder anderen spannenden Moment herauszuschinden, aber auch damit ist nur ansatzweise gedient, weil die Schauspieler offenbar so wenig von der Sache überzeugt sind, dass es ihnen nicht gelingt, uns die Schicksale ihrer Figuren nahe zu bringen. Als ein Beispiel von vielen kann Joel Kinnamans aufgesetztes Stottern dienen, mit dem er psychische Belastung signalisieren möchte.

Fünf junge amerikanische Touristen haben die erste Angriffswelle überlebt und beginnen sich allmählich gegen die weitgehend unsichtbare Bedrohung zur Wehr zu setzen, wobei Feuer und eine selbstgebastelte Mikrowellen-Kanone zu ihren wichtigsten Hilfsmitteln zählen.

Als sie zuletzt auf eine Gruppe wehrhafter Moskauer stoßen, verleihen diese einheimischen Russen-Rambos mit ihren protzigen Waffen und rauen Sitten dem Krieg der Welten doch noch Ostblock-Charme, und das, obwohl ein anderer Krieg bereits längst entschieden wurde. Das verrät die anfängliche Sight-Seeing-Tour durch die russische Metropole, bei der die Kamera immer wieder genüsslich auf Schildern verweilt, hinter deren kyrillischen Schriftzeichen sich Filialen von Starbucks oder McDonald‘s verbergen; und ein Pepsi-Werbeplakat ist sogar für uns auf Anhieb lesbar geblieben.

Produzent Timur Bekmambetov machte vor einigen Jahren mit seinen beiden Fantasy-Filmen „Wächter der Nacht“ und „Wächter des Tages“ auf sich aufmerksam und galt als russische Alternative zum Hochglanz-Hollywood, weil er es verstand, durch eine ungewöhnliche Erzählweise seinen spezialeffekt-gesättigten Werken einen individuellen Stempel aufzudrücken (die Geschichten waren zwar, für ein zentraleuropäisches Gemüt zumindest, nicht immer logisch nachvollziehbar, aber wenigstens originell). Mittlerweile hat der große Ausverkauf an den Westen auch vor ihm nicht Halt gemacht – das beste Beispiel dafür bietet diese „Darkest Hour“, in der alles nach Schema F (wie fabrikationsmäßig oder fantasielos) vor sich geht.

Da enthielt der budgetär wesentlich geringer dotierte deutsch-österreichische Zombiefilm „Rammbock“, in dem wir 2010 ein entvölkertes Berlin zu sehen bekamen und die Rettung ebenfalls auf dem Wasserweg herbeigeführt wurde, während knapper 60 Minuten doch deutlich mehr Charme und Nervenkitzel.