Für den 38-jährigen argentinischen Geschäftsmann Juan Desouza scheint alles darauf hinzudeuten, dass er wie sein Vater ein Leben in Sicherheit und Wohlstand verbringen wird. Doch als ihm seine Frau mitteilt, vielleicht schwanger zu sein, und zugleich sein Vater schwer erkrankt, beginnt Juan, sein Dasein zu überdenken: Ein neues Leben und ein drohender Tod erfordern eine Neuordnung der Dinge. In dieser Situation gerät eine geschäftliche Wochenendreise ins Landesinnere zu einem Wendepunkt: Am Ziel angekommen, entdeckt Juan, dass der Mitreisende neben ihm tot ist. In der Folge spielt Juan mit der Möglichkeit, die Identität des Toten anzunehmen, sich einen neuen Beruf auszudenken, eine neue Wohnung zu finden, möglicherweise nicht mehr in sein eigenes Leben zurückzukehren. Juan erlebt die Natur plötzlich als Abenteuer, entdeckt seine Sinne und seine Instinkte. Und schließlich eröffnen sich ihm neuartige Perspektiven: Sein bisheriges Leben ist auf einmal nicht mehr das einzig mögliche. El otro ist ein wunderbar stimmiger Film und nicht nur in der Hauptrolle mit Julio Chávez perfekt besetzt. Beeindruckend sind vor allem die Nachtszenen, in denen oft nur ein sehr kleiner Bildteil tatsächlich deutlich ist, sowie die äußerst präzise Tonspur, die keine Musik nötig hat und auf jede Effekthascherei verzichtet: Sie lässt den Zuschauer dumpf brummend das kopfschmerznahe Dösen im Bus empfinden und macht bei der nächtlichen Wanderung am Straßenrand mit dem Lärm von Lastwagen das Gefühl der Bedrohung spürbar. Erleichternd dann aber wieder die Naturgeräusche und die Stimmen junger Mädchen im Wasser. Nach diesem Film, dessen Titel auf den berühmten Roman von Albert Camus anzuspielen scheint, fühlt man sich ernster und lebendiger als zuvor. (Detlev Kuhlbrodt)
(Text: Viennale 2007)
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Details
- Regie
- Ariel Rotter
- Kamera
- Marcelo Lavintman
- Author
- Ariel Rotter