EINE ZU LANGE REISE

Die emotionale Wucht der Buchvorlage wird nicht erreicht, jedoch beeindrucken gewaltige Landschaftsaufnahmen und hervorragende Schauspieler

Als 1986 das mitreißende Mittelalter-Epos von Noah Gordon erschien, konnte niemand ahnen, dass dieses Buch so lange unverfilmt bleiben würde. Der große Erfolg in Deutschland, mehr als 6 Millionen Menschen lasen das Buch, trug auch nicht zu einer Euphorie-Stimmung in Hollywood bei, wo das Werk gänzlich unbemerkt blieb. Philipp Stölzl setzt nun aber auf die vielen europäischen Kinogänger und erzählt die Geschichte mit beeindruckenden Bildern und guten Schauspielern erreicht jedoch nicht die erzählerische Dichte von Gordons dickem Schmöker.

London im beginnenden Hochmittelalter. Als der kleine Rob Cole (Adam Thomas Wright, später: Tom Payne) hilflos mit ansehen muss, wie seine geliebte Mutter qualvoll an einer Blinddarmentzündung stirbt, fasst er den Entschluss, später alles zu lernen, was nötig ist, um das Elend kranker Menschen zu lindern. Als der schließlich junge Arzt noch mehr über das medizinische Fach lernen will, um seinen Patienten besser helfen zu können, entschließt er sich in das persische Isfahan zu reisen und dort den "Arzt aller Ärzte" Ihn Sina aufzusuchen. Die Reise ist verboten und gefährlich, doch getrieben von seinem Wissensdurst nimmt der junge Rob die Strapazen auf sich. Auf seiner abenteuerlichen Reise begegnen ihm allerlei Herausforderungen und er ist gezwungen verschiedene Opfer zu bringen, doch er erkämpft sich seinen Weg erbarmungslos. Sein unbeirrtes Streben nach Wissen und Erkenntnis wird belohnt: Er erfährt vieles über die Medizin, den Menschen und sich selbst. Auch Freundschaften kann der junge Arzt schließen und findet sogar die wahre Liebe…

Philipp Stölzl versteht es das literarische Universum, deren exotische Schauplätze und Details auf die Leinwand zu bringen. So staunt man immer wieder über opulente Landschaftsaufnahmen, die in ihrer Machart manchmal an Peter Jacksons Tolkien-Umsetzung zu Mittelerde erinnern. Marokkos Schauplätze sind wirklich beeindruckend, eine raue und schmutzige Epoche wird zum Leben erweckt und einschließlich der überzeugenden Darsteller, trösten diese Aufnahmen über manch sterile Studiokulissen hinweg.

Zweieinhalb Stunden Abenteuer sollten unsere Aufmerksamkeit stetig fordern, doch das mittlere Drittel des Epos wirkt eher schleppend und ist reich an Wiederholungen. Wo der atmosphärische Anfang seine faszinierende Dichte entfaltet, kann das letzte Drittel mit Spannung anknüpfen und man wird in den Zwist der verschiedenen Kulturen losgelassen. Tradition gegen Moderne lautet das Motto und philosophische Fragen beschäftigen hier jeden. Wie weit darf man wirklich gehen, um Menschen zu heilen? Die Tiefe des Romans wird hier nicht erreicht, aber für ein paar Denkanstöße reicht es allemal.

Die emotionale Wucht und die thematische Bandbreite der Buchvorlage werden in „Der Medicus“ nicht erreicht, jedoch beeindrucken gewaltige Landschaftsaufnahmen und hervorragende Schauspieler und so gehen sich 7 von 10 Punkten aus.