EIN MANN FÄLLT AUS ALLEN WOLKEN
Seit sich eine außerirdische Lebensform dort breit gemacht hat, bietet die Erde keinen Platz mehr für ihre bisherigen Bewohner. Deshalb wurde die gesamte Menschheit evakuiert und über den Wolken neu angesiedelt. Zumindest ist das der Wissensstand, über den Techniker Jack Harper verfügt. Gemeinsam mit einer Partnerin bewohnt er einen von mehreren luftigen Appartement-Stützpunkten in Erdnähe, von wo er zu regelmäßigen Erkundungs- und Reparaturmissionen aufbricht.
Die meiste Filmzeit über schwebt er also zwischen der postapokalyptische Erde und dem Außenposten hin und her, doch das stört gar nicht, denn die visuelle Umsetzung dieser Flüge über die zerstörte Landschaft ist schlichtweg atemberaubend geraten. Während im originalen Planet der Affen die unverhofft auftauchende Ruine der Freiheitsstatue zuletzt für eine große Überraschung sorgt, ist uns hier von Anfang an klar, dass wir uns ebenfalls in einem verwüsteten New York befinden, aber das Staunen wird dadurch nicht geringer. Vor allem die Aussichtsplattform des Empire State Buildings ist im Verlauf von ca. sechs Jahrzehnten erstaunlich versandet, die Wolkenkratzerfassaden haben sich zwanglos wieder in die Natur eingefügt und die Häuserschluchten wurden zu wasserfalldurchrauschen Canyons. Regisseur Joseph Kosinski, auf dessen Graphic-Novel der Endzeit-Thriller basiert, hat ja bereits in Tron: Legacy Gespür für inszenatorischen Bombast bewiesen. Diesmal setzt er auf ein Design, das selbst Kubrick mit Stolz erfüllt hätte und erweist so seinem großen Vorbild eine Referenz.
Gegen das titelgebende Vergessen spricht die Bewahrung alter Traditionen: halbzerstörte Bibliotheken kehren immer wieder als Schauplätze und die Hauptfigur hat sich in einer der letzten Grünoasen unseres Planeten ein idyllisches Refugium eingerichtet, das eine große Bücher- + Plattensammlung enthält (Vinyl ist eben nicht nur in Zombie-Kreisen sehr beliebt, wie wir seit Warm Bodies wissen). Die Geschichte erinnert in Grundzügen stark an eine von Philip K. Dicks beunruhigend ausfabulierte Identitätskrisen, kann aber mit den optischen Raffinessen nicht konkurrieren. Tom Cruise wird in diesem Sci-Fi-Mystery von hartnäckigen Erinnerungsfragmenten an ein früheres Leben heimgesucht und ist sich selbst auf der Spur. Wer Cruise allerdings bereits in einfacher Ausführung nicht aushält, wird in einer Schlüsselszene des Films einer ziemlichen Belastungsprobe unterzogen.
Die starke Ungewissheit über das eigene Herkommen scheint von der Figur auf den Hauptdarsteller abgefärbt zu haben und er hat massiven Bedarf, sich seiner Vergangenheit zu vergewissern. Anders lässt sich der sonderbare Auftakt dieser Pressevorführung kaum erklären: volle 10 Minuten waren nämlich einem unmotivierten Best of Tom Cruise gewidmet. In Form eines wild durcheinander gewürfelten Zusammenschnitts aus den meisten seiner bisherigen Rollen ging ein buntes Bildergewitter auf die ratlosen Zuschauer nieder. Um einen Nachruf kann es sich dabei kaum gehandelt haben; aber möglicherweise waren in dem Cruise-Medley auch unterschwellige Botschaften versteckt und alle Anwesenden werden im Lauf der nächsten Woche aus einem unerklärlichen Drang Scientology beitreten. Bevor wirs vergessen, vergeben wir jedenfalls 7 von 10 möglichen Identitätszertifikaten an T.C..