EIN AUSGEBRANNTER BRENNER IM DUNKELSTEN GRAZ

Unglaublich, wie konnte das passieren? Sechs Jahre sind bereits vergangen, seit unserer letzten Begegnung mit dem Simon Brenner. Damals haben wir ihn ziemlich ramponiert vor dem Brathendl-Lokal des Löschenkohl zurückgelassen. Nun hat er zwar wieder zwei funktionstüchtige Hände, aber ansonsten funktioniert kaum noch etwas in seinem Leben. Brenner ist inzwischen nicht nur total abgesandelt und völlig am Ende, sondern wird außerdem von (selbst)mörderischem Kopfweh geplagt. Da er ohne festen Wohnsitz ist, bleibt ihm keine Wahl: er kehrt in seine Heimatstadt Graz zurück, wo er ins schäbige Haus seiner verstorbenen Mutter zieht und alsbald den Kontakt zu alten Polizeischul-Freunden (bzw. Möchtegernfreunden) erneuert, mit denen ihn ein kriminelles Geheimnis verbindet. Unter den neugierigen Augen einer Katze nimmt das Verhängnis seinen Lauf: Erpressung, Rache, Ausweglosigkeit, die Geister der Vergangenheit, einige Tote und Familienverhältnisse, die fast einer griechischen Tragödie entstammen könnten, gehen hier eine düstere und mitunter höchst skurrile Mischung ein. Ganz folgerichtig dominieren im vierten Brenner-Film - allem schwarzen Humor zum Trotz - dunkle, elegische Töne und die Handlung spielt großteils nachts.

Das Drehbuch entstand erneut in Gemeinschaftsarbeit zwischen Hader/ Murnberger/Haas, wobei das Grundmuster der Romanvorlage wieder beibehalten, aber doch erheblich modifiziert wurde. Wie schon in "Der Knochenmann“ hat man die Krimistruktur aufgebrochen: das Publikum weiß von vornherein über die Täter oder Täterinnen Bescheid und soll durch kein detektivisches Mitraten von der Handlung abgelenkt werden; stattdessen kann es sich ganz auf die dramatische Entwicklung der Charaktere konzentrieren.

Zu den namhaften Gaststars zählen diesmal neben dem genialen Tobias Moretti ein leider viel zu kurz präsenter Roland Düringer sowie die fragile Nora von Waldstätten in einer sehr komplexen Rolle und die immer sehenswerte Margarethe Tiesel als ihre Filmmutter (nur für Simon Schwarz als Berti bleibt in dieser Geschichte kein Platz).

Fast alle Figuren sind körperlich und seelisch hart angeschlagen und leben eher in der Vergangenheit der 70er Jahre als im 21. Jahrhundert. Darum herrscht hier irgendwie auch Abschiedsstimmung und man kann sich gar nicht vorstellen, dass die Reihe um den unaufhaltsamen Abstieg des Antihelden nach diesem Film noch fortsetzen wird, denn tiefer kann Brenner ja kaum noch sinken – zumindest wünscht man es ihm nicht. Und besser könnte es auch kaum werden: Wolfgang Murnberger und seine Komplizen im Filmgeschäft haben mittlerweile die höchste Perfektion im Visualisieren von Brenners Welt erreicht.

9 von 10 blutigen Passierstäben.