Dylan besticht: Im England der 60er wirkt er wie ein Besucher von einem anderen Stern.
J. Hoberman: "Für manche wird Pennebakers bahnbrechende vérité-Schilderung von Dylans Tour durch England 1965 dieselbe parfümierte Nostalgie verströmen wie Prousts Madeleine. Aber seltsamerweise wirkt der Film weniger veraltet als bei seinem Erscheinen, wo die zwei Jahre alten Aufnahmen aus den letzten Tagen von Dylans vor-elektrischer Folkie-Persona einen schwärmerischen Beigeschmack verströmten. Jetzt kann Don't Look Back seinen historischen Platz als definitives Portrait des jungen Mr. D einnehmen."
In Dont Look Back dokumentiert Direct-Cinema-Veteran D. A. Pennebaker Dylans legendäre England-Tournee 1965 und wirft dabei den Zuschauer mitten hinein ins Geschehen: Die Kamera scheint gar nicht präsent zu sein, keine Off-Kommentare und keine erkennbare Erzählstruktur stören den Fluss der Impressionen, die Dylan auf der Bühne, vor allem aber im Backstage-Bereich zeigen, etwa beim Scherzen mit Freunden und beim Provozieren von Journalisten. Pennebaker zeigt aber auch die in den 60er Jahren oft verschwiegene, kapitalistische Seite des Rock'n'Roll in Gestalt von Dylans berüchtigtem Manager Albert Grossman und dessen abgeklärten Verhandlungsmethoden. Das Bild, das der Zuschauer von Bob Dylan vermittelt bekommt, passt wenig zum Klischee des Friedensapostels und sensiblen Poeten, das in den 60er Jahren gerne bemüht wurde. Wir erleben einen jungen Mann, der seine offensichtliche Unsicherheit im Umgang mit seinem neuerworbenen Status durch Arroganz und Überheblichkeit gegenüber seinen jugendlichen Anhängern und der renommierten amerikanischen Presse zu kompensieren versucht. Man hört den Sänger endlose Monologe als Angriffe auf ein von ihm verhasstes Establishment halten, die sich nach weniger Zeit in sich selbst verlieren und somit selbstreferenziell bleiben. Die Meisterleistung Pennebakers liegt darin, dass es ihm gelungen ist, Dylan solange mit der Kamera zu verfolgen, bis dieser sie wohl erst verdrängt und dann vollkommen vergessen hat. Das macht den Film jenseits der Oberflächlichkeit der meisten Rockdokumentationen zu einem äußerst sehenswerten Zeitdokument auf der einen Seite, sowie durch seine Unmittelbarkeit zu einer Meisterleistung im Bereich des Dokumentarfilms im allgemeinen. Give the anarchist a cigarette. (Sascha Seiler)
(Text: Viennale 2008)
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Details
- Schauspieler
- Bob Dylan, Joan Baez, Donovan, Marianne Faithful, Allen Ginsberg
- Regie
- D.A. Pennebaker
- Kamera
- Howard & Jones Alk, Pennebaker
- Author
- D.A. Pennebaker
- Musik
- Donovan, Bob Dylan