"Die Liebhaberin": Interview mit Lukas Valenta Rinner
Mit seinem Debütfilm "Parabellum" machte Lukas Valenta Rinner das erste Mal auf sich aufmerksam. Sein neuer Film "Die Liebhaberin" ist erzählerisch eines der spannendsten und mutigsten österreichischen Filme der letzten Jahre und konnte Kritiker weltweit auf Festivals überzeugen. Wir haben uns mit dem Gewinner der diesjährigen Diagonale getroffen, um über seinen neuen Film zu sprechen.
Wie bist Du zum Filmemachen gekommen?
Über die Musik. Als ich jung war, hatte ich eine Band, dadurch habe ich angefangen zu schreiben und zu malen. Nach dem Zivildienst war für mich dann die Frage, ob ich Musiker oder Filmemacher werden will. Ich hatte ein großes Interesse an Experimentalfilmen und zog nach Barcelona, um dort einen Lehrgang zu besuchen. Dort habe ich meine ersten Experimentalfilme gedreht und Kollegen kennengelernt, mit denen ich heute noch zusammenarbeite.
"Die Liebhaberin" wirkt wie eine Weiterführung Deines ersten Spielfilms "Parabellum". Beide Filme behandeln die Themen soziale Isolation und den dadurch resultierenden Klassenkampf. Wie bist Du zu dieser Idee gekommen?
In den zehn Jahren, die ich als Ausländer in Buenos Aires verbracht habe, hat sich die Gesellschaft sehr verändert. Die Spannungen zwischen Unter-, Mittel- und Oberschicht wurden immer größer und die Menschen hatten immer mehr Angst vor ihren Nächsten. Sie zogen sich wie in "Die Liebhaberin" in Gated Communities zurück oder besuchten Survival Kurse wie in „Parabellum“. Ich fand diese Entwicklung auch im Hinblick auf Europa sehr spannend, wo die Angst vor dem, was von Außen kommt, auch immer größer wird. Als ich angefangen habe, an "Die Liebhaberin" zu schreiben, habe ich keine Verbindung zu " Parabellum" gesehen, aber nachdem er fertig war, liegen die Gemeinsamkeiten auf der Hand. „Die Liebhaberin“ war eine logische Weiterführung.
Deine Filme zeichnen sich vor allem durch die Bildsprache aus, Du setzt auf wenig Dialoge und transportierst den Inhalt größtenteils über Bilder. Wie sieht die Drehbucharbeit bei Dir aus und wie findest Du Deine Bilder?
Die Drehbücher sind sehr kurz, und beinhalten wenig Dialoge. Beim Schreiben konzentrieren wir uns auf die physischen Abläufe der Figur und versuchen einen Charakter über mehrere Szenen zu definieren anstatt über die Innenwelt der Figur über den Dialog zu kommunizieren. Ich finde die Spannung zwischen dem Inneren einer Figur und ihrem Auftreten nach Außen sehr aufregend. Mein Kameramann Roman Kasserrolle und Ich erstellen keine Storyboards, aber suchen intensiv nach Locations. Da uns das Budget für eine aufwendige Ausstattung fehlt, müssen wir bei der Wahl der Drehorte sehr genau sein.
Wie unterscheidet sich die argentinische Filmszene von der österreichischen?
Mit diesem Budget hätten wir den Film in Österreich nicht realisieren können, aber in Argentinien ging es sich aus. In Österreich sind die Strukturen so aufgebaut, dass man Jahre lang auf Entscheidungen warten muss, bis man überhaupt drehen kann. Deshalb ist es schwer ein lebendiges und politisch aktuelles Kino zu machen. In Argentinien sind die Förderwege zwar auch lang, aber wenn eine Absage kommt, wird dennoch spontan gedreht. Durch die größtenteils unterfinanzierten Filme entsteht ein Zusammenhalt in der Community, der zu einem lebendigen südamerikanischen Kino führt.
Wie schwierig war es, nach deinem Debütfilm Deinen zweiten Spielfilm umzusetzen?
Die Prozesse waren sehr unterschiedlich. Bei "Parabellum" hat es von der ersten Idee bis zum fertigen Film 5-6 Jahre gedauert. „Die Liebhaberin“ wurde auf Grundlage eines Treatments von einem koreanischen Festival, mit der Auflage, den Film in den nächsten 6 Monaten fertigzustellen, mitfinanziert. Wir hatten einen viel größeren Zeitdruck und wussten teilweise nicht, wo wir am nächsten Tag drehen werden.
Gibt es schon Ideen für zukünftige Projekte?
Am Ende des Jahres fahre ich für drei Monate zurück nach Argentinien, um einen Film zu produzieren. Ich schreibe an meinem ersten deutschsprachigen Film, der auch in Österreich gedreht wird. Es handelt von unterschiedlichen Gruppierungen, deren Wege sich während des Filmes kreuzen.
Özgür Anil