DER TRAUM VOM GANGSTA-RAPPER

Es fängt an mit einer Watsche. Eine Frau tritt aus dem Gemeindebau und geht auf einen Mann zu. Zuerst sieht sie ihn nur an, dann ohrfeigt sie ihn. Weint und ohrfeigt ihn weiter, immer heftiger. Der Mann hat ihren Sohn getötet, nun lässt er sich von ihr schlagen. Aber entschuldigen kann er sich nicht.

Umut Dağs ("Kuma") zweiter Spielfilm erzählt mit düsterem Hardcore-Realismus von den Mean Streets Wiens, fernab der Touristenpfade. Wenn sich im Hintergrund das Riesenrad dreht, dann nur, weil es am Praterstern Flipperautomaten gibt. Dort hängt eine Freundesgruppe ab, die sich gerne mit "Spasti" und "Missgeburt" anredet und von einer Karriere als Gangsta-Rapper träumt. Besonders Mika, ein 15-jähriger Österreicher aus Tschetschenien, setzt seine ganze Zukunft auf ein selbst fabriziertes Mix-Tape. Außerdem vercheckt Mika Drogen und fragt sich, warum der neue Hilfsarbeiter im Jugendzentrum so viel Interesse an ihm zeigt. Dass es sich dabei um seinen Vater Ertan handelt, der – siehe oben – gerade aus dem Gefängnis gekommen ist, wird bald klar.

Die große Stärke von Umut Dağs intensivem Rap-Melodram liegt in einer fast dokumentarischen Nähe zu seinen Protagonisten. Mit dynamischer Kamera folgt er den Jugendlichen durch die Clubs, auf Rap-Konzerte oder einfach nur nach Hause. Besonders der herausragende Murathan Muslu als Ertan re-lativiert die kraftmeierische Pose des Sohnes allein mit den Nuancen seines Gesichtsausdrucks ("Das Gefängnis ist kein Gangsta-Rap"). Gegen Ende hin schnürt Dağ aber seine wilden Teenager ins Korsett der hochgefahrenen Vater-Sohn-Geschichte. Das wirkt zwar emotional effektvoll, aber auch ein bisschen zu Genre-schematisch.