DER GANZ ANALE WAHNSINN

Sie mag es schmutzig: Stapft mit bloßen Füßen in eine öffentliche Toilette und setzt sich ungerührt auf die dreckige Klobrille. Steckt den Zeigefinger in sämtliche Körperöffnungen und schmiert die daran haftenden Flüssigkeiten dorthin, wo auch andere sie riechen können.

Helen steht auf Kriegsfuß mit der Hygiene – und mit ihrem Körper. Der ist für sie vorwiegend ein Objekt zur Erregung von Aufmerksamkeit. Das Instrument, mit dem sie sich – zumindest für kurze Zeit – in den Mittelpunkt manövrieren kann. Helen, das neurotische Scheidungskind, das sich nichts mehr wünscht, als ihre Eltern wieder zusammenzuführen. Zur Not an ihrem Krankenbett.

Wer Charlotte Roches Buch aus dem Jahr 2008 gelesen hat, fragt sich wohl, wie dieses verfilmt werden kann. So drastisch und ekelerregend sind die Details von (missglückter) Intimrasur, Hämorrhoiden-Operation, Im-Dreck-Sitzen und Mit-Avocadokernen-Masturbieren beschrieben. Aber wir wollen offenbar mit Drastischem konfrontiert werden: Mehr als 2,5 Millionen Mal verkaufte sich das Buch allein in Deutschland. Der Voyeurismus-Trick zieht. Und wie.

Dass der unverfilmbare Bestseller nun auch ein achtbarer Film geworden ist, dafür kann sich Charlotte Roche beim deutschen Regisseur David Wendt und vor allem bei der jungen Schweizer Schauspielerin Carla Juri bedanken. Die in London und Los Angeles ausgebildete Tessinerin mit der knabenhaften Figur bewahrt selbst in grenzwertigen Szenen ihre Coolness und Lockerheit. Nie wirkt sie schlüpfrig oder peinlich. Nacktszenen bewältigt sie mit der Unbekümmertheit einer Frau, die sich selbst mag. Die Nacktheit, das Sich-zur-Schau-Stellen, sei der Kern des Films, sagt Juri. Nacktsein habe für Helen eine emotionale Dimension, mit der sie „ihre Einsamkeit ausdrückt“.

Magenreiz

Auch wenn der anale Horror einigermaßen geschmackvoll für die Leinwand aufbereitet wurde, sei gewarnt: Für Menschen mit empfindlichem Magen ist der Film nicht empfehlenswert. Bei ein paar Szenen – etwa bei der, wo sich Helen mit aller Gewalt ihre frische Hämorrhoiden-OP-Wunde aufreißt, wünscht man sich, im Kino bei „Bambi“ zu sitzen.

Manche Dinge muss man nicht sehen. Oder doch?