Die ganze Welt in einem Film! Ein Liebesfilm, ein Abenteuerfilm, eine Passionsgeschichte auf hoher See: Robert, ein junger Däne, wird aus Marseille über Acapulco in die Südsee verschleppt, wo er sich nach Vatermord und Mutterbegattung in einer Kannibalengesellschaft wiederfindet, die ihm ein Mädchen seiner Altersklasse beschert. Auch eine Art Oratorium: Leicht moralisierende Dialoge und affektreiche Szenen wechseln ab mit lehrreichen Texten und lyrischen Betrachtungen. Eingepasst in das Geschehen ist eine Anthologie von Industrielandschaften aus England und Kalifornien, die einem ein Gefühl von menschlicher Tatfähigkeit vermitteln. Selbst Händels Anspruch «ich würde es bedauern, wenn ich meine Zuschauer bloß unterhalten hätte» bleibt nicht ganz unberücksichtigt. (Klaus Wyborny) Was Wyborny, wie immer im Off und neben den Bildern her erzählt, hatte er ein Jahrzehnt zuvor schon veröffentlicht («Fiji», Henry 4). In Das offene Universum muss diese kurze Erzählung die lange Geschichte der Erkenntnis tragen. Sie steht jetzt für anderes, Größeres, und ihre Metaphern bedürfen der Zuwendung. Wer da zu dem Off-Vortrag über neueste physikalische Erkenntnisse Stand freilich: 1983 posiert, spielt die Rolle des Elektrons. Die Fingerkuppen, die sich fast berühren, stehen für das Universalgenie Michelangelo, das ist wieder leicht. Aber wie ist es mit dem Turm in Irland? Dublin; der Joyce-Turm zitiert einen anderen Großwerk-Künstler. Von Schubert-Parodie und Romantik-Flucht zu den Furien des Feminismus und den blutigen Händen des KZ-Schergen, schließlich zum binären Denken der 68er-Generation sowie der Großtechnologen: Metaphern wollen erschlossen werden. Und da Wyborny ein nicht-eifernder Reformator ist, gerät er auch hier nicht in Gefahr, prätentiös zu werden; eher appelliert er an diejenigen, die behilflich sein möchten. Denn wenn man sieht, wie ungeschickt, aber sorgfältig der junge Däne auf einer der drei Fiji-Inseln Baggermatsch auf Riesenblättern formt, dann ist diese Performance ein einziges Understatement, was Acting und Regie anbelangt. Gerade das aber gibt die Freiheit, sich zu beteiligen. Der Flirt mit dem Unzulänglichen hat Charme. Wie schon in Die Geburt der Nation mündet die narrative Exkursion in einem zweiten Teil, in dem Weltgeschichte und Passionsoratorium subjektiv vereinnahmt werden. Die Erfahrungen dieser Reise visualisieren sich in punktuell einbrechenden rhythmisch-kinetischen Schüben. Die Collage aus schiefen Horizonten, blauen und roten Farben, unterlegt mit impressionistischer Musik, haben zum ersten Mal in Wybornys Werk einen Erzählwert. Sie sind Halluzinationen, mindestens aufsteigende Blasen längst vergangener Tagträume. (Dietrich Kuhlbrodt)
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Details
- Regie
- Klaus Wyborny
- Kamera
- Klaus Wyborny
- Author
- Klaus Wyborny
- Musik
- Klaus Wyborny