DAS UNVERFILMBARE VERFILMT

Sie sagt, sie hat sich das Schreiben nicht ausgesucht. Auch nicht den Hund, der bei ihr wohnt; die Kuh, die ihr zutraben wird; die weiße Krähe, die auf ihrem Baum sitzt.

Kann man sich überhaupt was aussuchen? Dass man Schriftstellerin wird? Das Leben überhaupt? Man kann nicht, meint Marlen Haushofer in ihrem Roman "Die Wand" (1963). Und so ist ihre Hauptfigur plötzlich eingeschlossen: auf einer Almhütte in den Bergen, durch eine unsichtbare Wand vom Rest der Welt getrennt. Also schreibt sie, um nicht verrückt zu werden und schießt Hirsche, um nicht zu verhungern. Für einen Film ist die Handlung denkbar ungeeignet, weil stets metaphorisch. Regisseur Julian Pölsler hat nun das Unverfilmbare verfilmt.

Die Hauptdarstellerin (klug reduziert: Martina Gedeck) spricht so gut wie nie, sie schaut, wandert, melkt und pflückt und schreibt, und das, was sie schreibt, können wir auch hören. Immer mehr verschmilzt die Frau mit der Natur. Kann ein Mensch zum Tier werden? Zur Pflanze? Zu Stein? Die interessanten Fragen werden nur im literarischen Off-Text gestellt. Doch nie spürt man richtig die Anstrengung, etwa eine Wiese mit der Sichel selbst mähen zu müssen. Pölsler schafft es immer wieder, dem Film spannende Horror-Momente abzuringen. Nur seinem dritten Hauptdarsteller wird er nicht gerecht: der Natur, ihrer Gewalt und Gefährlichkeit, ihrem Geheimnis. Die gediegenen Bilder bleiben Kulisse,

Postkartenidyllen mit Reh in unberührtem Schnee. Und so verhält es sich auch mit der Natur des Menschen im Film: Man bleibt ungerührt.

KURIER-Wertung: ***1/2 von *****