Brother's Keeper

Ihre spannende und engagierte Arbeitsweise demonstrierten Berlinger/Sinofsky schon früh mit dieser legendären Studie über vier Brüder in einer kleinen ländlichen Gemeinde in der Nähe von New York. Die Ward-Brothers sind zwischen 59 und 71 Jahre alt, und als 1990 einer von ihnen, Bill, im Schlaf stirbt, wird sein jüngerer Bruder Delbert des Mordes angeklagt. Bis zum Ende bleibt in diesem aufsehenerregenden Fall offen, was tatsächlich in jener Nacht geschehen ist. Brothers Keeper ist eine beeindruckende Dokumentation des Ward-Falls. Die Filmemacher Joe Berlinger und Bruce Sinofsky folgen dem komplexen und verstörenden Ereignis im Verité-Stil der Brüder Maysles. Viele Fragen und Themen werden aufgeworfen, von denen einige bis heute unbeantwortet sind: Wie war Delberts Beziehung zu seinem älteren Bruder? Wurde er hereingelegt oder ist er tatsächlich ein Mörder? Von intimen Gesprächen mit den Brüdern bis hin zum brisanten Prozess schildert Brothers Keeper den Fall in seiner gesamten Dynamik und zeichnet zugleich das sensitive Porträt einer zeitgenössischen amerikanischen Landgemeinde. (Norman Wang) Joe Berlinger und Bruce Sinofsky lassen die Möglichkeit offen, dass Delbert seinen Bruder in Verkennung der tödlichen Folgen seines Handelns erstickt haben könnte: In einer Szene erzählt Harry Thurston, ein Nachbar der Wards, wie Milchbauern die Nasenlöcher und Mäuler ihrer Kühe zuhalten, um sie nach der Geburt eines Kalbes zu zwingen, wieder auf die Beine zu kommen. Was noch interessanter ist, ist die Tatsache, wie Delberts Anklage die Stadt verändert, sie dazu bringt, ihre einzigartigen bäuerlichen Werte zu erkennen und einem der Ihren beizustehen. Berlinger und Sinofsky, die den Film neben ihren regulären Jobs drehten, nützen die Gerichtssaalszenen, um eine wahre Geschichte mit dramatischen Mitteln zu erzählen. (Amy Dawes)

(Text: Viennale 2004)