BLUTIGE ORCHIDEE

Luc Besson phantasiert offenbar gerne von Frauen mit schweren Rachebedürfnissen und schickt nun als Ideengeber unter fremder Regie eine Kollegin Nikitas ins blutige Rennen (aber auch die kleine Mathilda aus „Léon – Der Profi“ lässt selbstverständlich lautstark grüßen).

Die junge Cataleya wurde auf eigenes Verlangen von einem Verwandten zur Profi-Killerin ausgebildet, weil sie mit dem kolumbianischen Mafiaboss Don Luis wegen der Ermordung ihrer Eltern noch eine Rechnung offen hat und 15 Jahre nach den grausamen Geschehnissen endlich bereit ist, sie ihm zu präsentieren. Freilich ist das keine reine Angelegenheit zwischen ihr und dem Kriminellen, da auch zwei andere Agenturen mitmischen: das FBI in Gestalt eines Agenten der mit einer Mordserie konfrontiert wird, bei der alle Opfer eine unverkennbare Blumen-Zeichnung am Körper tragen und dessen Ermittlungen zu einem selbstgefälligen CIA-Mann führen, der nicht vor hat, sein Wissen mit anderen zu teilen. Aber im Grunde laufen alle diese Menschen nur am Gängelband eines grazilen Wesens, das nach einer Orchidee benannt wurde und unerbittlich ein einziges Ziel verfolgt.

Wenn Cataleya als Schusswaffen-Madonna und eindeutig taffere Lara Croft auftritt, locker die schwersten Mordgeräte handhabt, allen männlichen Gegnern überlegen ist, über Fassaden turnt oder in Lüftungsschächten verschwindet, durch Haifischbecken schwimmt und ihren größten Widersacher zuletzt über Kilometer hinweg nur dank ihrer Stimme tötet, sich aber noch immer genügend Verletzlichkeit bewahrt hat und zur Entspannung kindlich an Lollies nuckelt, dann klingt das schon nach einer ungewöhnlich tollen Frau, die es zum Glück nur in Filmen gibt, weil sie im wahren Leben umgehend Bekanntschaft mit Strafvollzug, Psychiatrie und/oder Leichenschauhaus machen würde.

In der Titeltrolle erleben wir die relativ unbekannte Zoe Saldana - obwohl das nicht ganz stimmt, da sie unter ausgefallener Hautfarbe bereits Weltruhm erlangte: ihre Stimme und Mimik erweckten nämlich die animierte weibliche Hauptfigur aus „Avatar“ zum Leben. In ihrer eigenen Gestalt war sie beispielsweise als Lieutenant Uhura im jüngsten „Star Trek“-Film zu sehen. Hier kommt sie nun ganz groß raus und kann zeigen, wie viel Körperbeherrschung so ein Knochenjob beim Film erfordert.

Neben schweißtreibender Kampfakrobatik bietet „Colombiana“ einige hochemotionale Momente und genügend Szenen, die man nicht einfach dem Kurzzeitgedächtnis überantwortet, weil sie dafür zu perfekt umgesetzt wurden. Sobald Johnny Cash zuletzt seine brüchige Altersstimme für einen Abgesang erhebt, wird das zum würdigen Ausklang eines zielstrebig harten Racheepos von Action-Routinier Megaton, das sich dennoch über den gängigen Mainstream stöckelschuhhoch erhebt. Dafür hat es sich 8 von 10 Blütenblättern einer blutigen Orchidee verdient.