Bellavista

Bellavista

Bellavista A , 2006

Die ellipsenschwer-assoziative Erkundung des Ortes Sappada durch die Erinnerungen Giulianas, die dort im titelgebenden Hotel aufwuchs und in dessen Nischen und Hallen innere wie äußere Verletzungen erlitt.

Bellavista
Min. 117
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Schnee, Regen, Wolken. Fragmente. Landschaften wie Wörter. Erinnerungen an Hoffnungen wie Verletzungen. Seit vielen Jahren hat Peter Schreiner keinen Film mehr gedreht, sich zurückgezogen, Holz geschnitzt und sich karitativen Projekten gewidmet. 2005 ging er ähnlich Büchners «Lenz» ins Gebirge, nach Sappada, südlich der Karnischen Alpen, Provinz Belluno. Und traf auf drei bemerkenswerte Frauen: Giuliana, Bernadina und Erminja. Ihre Gesichter und Hände erzählen von harter Arbeit, von kindlicher Freude, aber auch von Wehmut, Verwundungen. Sie unterhalten sich auf Plodarisch, einem Jahrhunderte alten Osttiroler Dialekt, der am Verschwinden ist, wie vieles. Aber sie sind nicht verbittert, ein wenig traurig nur. Bernardina erinnert sich an die harte Landarbeit früher: «Mein Vater hat mich nicht geschont. Ich musste arbeiten wie ein Bub, wir haben es nicht gut gehabt.» Und Erminja: «Ein armes Land, Polenta täglich.» Giuliana, geboren 1957, ist jünger als ihre Freundinnen, arbeitet in der Küche des Hotels Bellavista, ist Bauerntochter, Rebellin, studierte im Ausland Linguistik. Vor einigen Jahren ist sie heimgekehrt, reflektiert in Bruchstücken ihre Erfahrungen, Enttäuschungen, Verletzungen: «Ich wollte auch so sein wie die Männer, ich hab's nicht geschafft ... Wie arrogant ich war ... anders sein, zur ewigen Einsamkeit verurteilt.» Und: «Man hatte sehr früh das Gefühl, man sei zur Welt gebracht, um dem Hotel zu dienen.» Zwei ihrer drei Brüder haben sich umgebracht. Lorenzo, 19-jährig durch schleichenden Selbstmord mit Drogen, Maurizio durch einen Schuss in den Mund, 1985, im Alter von 26 Jahren. Peter Schreiner: «Dreimal zeige ich ihre Bilder, denn auch Tote sind nicht tot. Ich finde Teile meiner Lebensgeschichte ebenso in Giuliana wie in ihren Brüdern, jenen jungen Männern unserer Generation, die von anderen Wirklichkeiten träumten und dies mit ihrem Leben bezahlten.» Schnee, Regen, Wolken. Fragmente. Peter Schreiner ist ein überaus aufmerksamer Beobachter, Zuhörer, der so filmt wie andere Gedichte schreiben. Impressionistisch, assoziativ, zärtlich. Einer, der sich ganz viel Zeit nimmt und schenkt. Ein ganz Seltener. (Otto Reiter)

(Text: Viennale 2006)

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