"Baumschlager": Warten auf die Ziegenkacke
Eigentlich hört sich ja der Titel ganz danach an, als hätte Harald Sicheritz diesmal einen Lehrfilm für angehende Holzfäller gedreht. Leider hat er diesen Drang zur Didaktik dann doch unterdrückt und sich stattdessen lieber für eine Posse entschieden, deren Witz nicht dem Geiste Nestroys, sondern eher dem der Löwinger-Bühne verpflichtet ist - so unwahrscheinlich das auch klingen mag, denn das Drehbuch stammt von einer jungen Israelin. „Baumschlager“ wirkt obendrein eigentümlich zeitlos. Abgesehen von der genannten Jahreszahl 2013 und dem Handy-Gebrauch könnte das ein Film aus den 80er-Jahren sein. Die grobe Figurenzeichnung und der Hang zum überdrehten - oder sogar hysterischen - Schwank erinnert stark an Werke von Franz Novotny aus jener Zeit ( z.B. „Coconuts“ von 1985, als Rainhard Fendrich noch Schauspieler-Ambitionen hatte).
Ein spezielles Volksstück
Etwas freundlicher ausgedrückt, ließe sich „Baumschlager“ ein völkerverbindendes Volksstück nennen (worauf auch der dreisprachige Vorspann hindeutet). Im Nahen Osten stehen die Zeichen gerade auf Frieden und das kommt dem titelgebenden UN-Offizier sehr entgegen: er bemäntelt nämlich seinen Egoismus seit jeher durch die Parole „Make love, not war“ und möchte überall Harmonie stiften. Deshalb leistet er sich im Einsatzgebiet der Golanhöhen grenzübergreifend gleich zwei Geliebte, die voneinander nichts ahnen; und seine Frau in der österreichischen Heimat weiß von den beiden selbstverständlich erst recht nichts – was sich aber sehr bald ändert und zu allerlei Komplikationen führt.
Lustspiel-Personal
Da es sich bei Baumschlagers beiden Flirts um eine Israelin und eine Libanesin handelt, beschwört der Mann durch seine Libido politische Verwirrungen sowie kriminelle Verwicklungen herauf und liefert einen Stoff, aus dem offenbar nach wie vor die populären Lustspiele sind. Es gibt zunächst den potenten Kasperl und Pechvogel ( Thomas Stipsits versucht das Beste aus seiner ersten Hauptrolle herauszuholen); sodann eine betrogene Ehefrau mit Rachegelüsten; weiters eine Tochter, die sich weigert, den vom Papa vorgesehenen trotteligen Ehemann zu heiraten und von daheim durchbrennt; und schließlich den wutentbrannten Vater, der den Verführer schnappen will und beinahe einen Krieg vom (Grenz)Zaun bricht.
Ziegen als Hauptdarsteller
Auch Tierliebe wird hier groß geschrieben. Dazu trägt die Figur eines UNO-Agenten (Anatole Taubman) mit psychischem Knacks bei: sobald er arabische Musik hört, befällt ihn eine Art Trance, er reißt sich die Kleider vom Leib und rennt im zwanghaften Lustrausch der nächsten Ziege hinterher. Nicht genug damit, sieht es am Höhepunkt des burlesken Treibens dann so aus, als hätten Ziegen eine wichtige Fracht verschluckt, und Baumschlager will nun warten, bis das Gefressene durch den Verdauungskanal der Tiere gewandert ist. Kaum wurde uns das klar gemacht, kommt auch schon ein Ziegenarsch ins Bild und gibt ein brodelndes Geräusch von sich. Wie es nun wohl weitergeht? Das Gemisch aus kompromissloser Spannung und hemmungsloser Heiterkeit ist kaum noch zu ertragen.
Seltsame Synchro
Auf technischer Ebene zeichnet sich der Film durch einen seltsam sorglosen Umgang mit der Synchronisation aus. Da spricht etwa einer von den Blauhelmen die meiste Zeit mit aufgesetztem amerikanischen Akzent und sagt dann zwischendurch plötzlich wieder einen Satz in makellosem Deutsch. Was aber noch schwerer wiegt: fast jedes Mal, sobald hier jemand den Mund auftut, ist sofort klar, dass eine nachträgliche Tonspur darübergelegt wurde, während uns eine gute Synchro eigentlich genau das vergessen lassen sollte. Daher ist es gut möglich, dass der Film in der englischen Originalfassung doch etwas überzeugender wirkt.
Um die Holzfäller-Assoziation vom Anfang wieder aufzugreifen: die Figur des Baumschlager tut alles, um sich selbst zu Fall zu bringen – und dieser Tendenz bleibt gleichsam auch die österreichisch-israelische Koproduktion verpflichtet. Durch Heiterkeit zur konfliktvermeidenden Völkerverständigung beizutragen ist eben nicht nur für UN-Angehörige eine schwere Aufgabe.
3 von 10 ratlosen Golanziegen
franco schedl