BAHNFAHRT MIT TÖDLICHEM EXIT

Am 1. Jänner 2009 erschoss ein Polizist im Zuge einer Prügelei den 22-jährigen Afroamerikaner Oscar Grant. Der Vorfall ereignete sich in der Bahnstation Fruitvale in der Nähe von San Francisco, wurde von vielen Passanten mitgefilmt und hatte öffentliche Unruhen zur Folge.

Vier Jahre später hatte auf dem renommierten Filmfestival in Sundance das Filmdebüt des schwarzen Regisseurs Ryan Coogler Premiere. In "Nächster Halt: Fruitvale Station" erzählt der erst 26-jährige Coogler den letzten Lebenstag des Oscar Grant und landete einen umgehenden Hit. Produziert von dem notorischen Harvey Weinstein, erhielt das gefühlsgeladene Melodram in Sundance den großen Preis der Jury, den Publikumspreis und jede Menge Medien-Echo. Es folgte ein internationaler Preisregen – doch bereits bei den Oscar-Verleihungen schien "Fruitvale Station" komplett vergessen. Keine einzige Nominierung erinnerte an den großen medialen Erfolg.

Doch auch die Kritik war nicht gänzlich einhellig. Im Branchenblatt Variety diskutierten die Chefkritiker temperamentvoll darüber, ob das Debüt ein kraftvolles Drama oder doch nur ein manipulativer Tränendrücker sei.

Tatsächlich ist "Fruitvale Station" ein "Ja/nein/vielleicht"-Film, sprich: er entwickelt immer wieder intensive, sehenswerte Momentaufnahmen aus dem Leben des jungen Oscar Grant. Gleichzeitig aber spielt er auch sehr berechenbar auf dem Gefühlsklavier. So triefen Interaktionen Oscars mit seiner Tochter vor Vater-Kind-Sentimentalität und stellen ein mögliches Familienglück recht schematisch dem arbeitslosen Alltag entgegen.

n Rückblenden und mit viel authentisch bemühter Handkamera erzählt Coogler von Oscars verbüßter Gefängnisstrafe wegen Drogenhandels. Doch dass Grant in Wahrheit ein gutes Herz hat, beweist er etwa mit seiner Zuneigung zu einem streunenden Hund, der schließlich totgefahren wird. Als Vorbote für sein eigenes Schicksal allerdings ein wenig eleganter Dramaturgiegriff.

Am besten gelingen Coogler die alltäglichen Beobachtungen des schwarzen Mittelstands: Familientreffen werden mit einer Leichtigkeit erzählt, die sich von der allegorischen Bürde des drohenden Schicksals befreien können.

Insgesamt aber wird stark darauf hingetrimmt, Oscar als schwierigen, aber anständigen Menschen hinzustellen. Als einen, der seine Ermordung nicht verdient hat. Doch gerade das sollte eigentlich selbstverständlich sein.