Anarchie im 4/4 Takt - Punknoten contra Banknoten

A , 1977

Min. 86
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»No Elvis, Beatles or the Rolling Stones - in 1977« hatten The Clash lautstark in einem ihrer Punk-Stücke verkündet. Genauso beginnt auch der Dokumentarfilm Anarchie im 4/4 Takt, eine Bestandsaufnahme der damals am Höhepunkt befindlichen Punk-Welle in Großbritannien. Bilder aus Roaring-Sixties-Zeiten werden hämisch mit den Worten »es war einmal« verabschiedet, bevor das Krönungsjubiläum der britischen Königin mit der Sex Pistols-Hymne »God Save the Queen« auf den Boden der damaligen Gegenwart zurückgeholt wird. Hippie-Vergangenheit gegen 1977er-Tristesse, Aristokratie und Klassensystem gegen eine desillusionierte Arbeitslosenwelt, rassistische Mehrheitskultur gegen unterdrückte (ethnische) Outcasts - dies sind einige der Leitmotive. Dabei schafft es Anarchie im 4/4 Takt, führende Stimmen der damaligen Musik- und Gegenkultur zu versammeln, die sich durchaus kritisch und vielseitig mit dem Phänomen Punk auseinander setzen. Schließlich zeichneten sich Ende 1977 bereits unbestreitbar Abnützungserscheinungen ab - Punks wurden wie »Tiere in einem Käfig« bestaunt und gerieten zur Touristenattraktion. Die zahlreichen Musiker-Interviews und Livemitschnitte, worin viele der bis heute nachwirkenden Schlüsselmomente der »Punk Explosion« festgehalten sind, vermitteln den Eindruck einer »history in the making«, wie er nur selten im dokumentarischen Bereich anzutreffen ist. So kann man etwa die blutjungen The Clash bestaunen, wie sie, noch ganz die ungebrochenen White-Riot-Rebellen, angesichts der kumulierenden Arbeitslosenmisere und der damit einhergehenden sozialen Heuchelei verkünden: »what we say is the truth«. Oder man kann die frühen The Slits bei einer veritablen Riot-Girl-Vorstellung auf dem Wohnzimmerteppich erleben. Live-Clips aus heute legendären Konzertkellern wie »The Marquee« oder dem »100 Club«, etwa von Buzzcocks, X-Ray Spex, Alternative TV oder der Punk-Reggae-Band The Black Slate, runden ein facettenreiches Bild ab, das kaum ein anderer Film der Zeit besser eingefangen hat. Dass der junge Julien Temple, später Regisseur der Sex Pistols-Filme The Great Rock 'n' Roll Swindle (1980) und The Filth and the Fury (2000) hier als Regieassistent mitgearbeitet hat, unterstreicht den bahnbrechenden Charakter des Filmes. Dass Anarchie im 4/4 Takt nach seiner ORF-Ausstrahlung am 3. Dezember 1977 im Archiv verschwand, belegt hingegen nur, dass sich historische Sprengkraft, so sie im Film überhaupt je aufgehoben sein kann, kaum auf Anhieb zu erkennen gibt. (Christian Höller)

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Details

Regie
Andreas Friesz
Kamera
Bernd Neuburger

Kinoprogramm