Filmkritiken

ZWEI NERVENSÄGEN AUF DER FLUCHT

Gute Zeiten brechen an: immer mehr Frauen dürfen im Film Erfahrungen machen, die bisher bloß Männern vorbehalten waren. Melissa McCarthy fegt derzeit erfolgreich als Jane Bond über die Leinwand und Reese Witherspoon tritt nun als „Miss Bodyguard“ sozusagen Kevin Costners Nachfolge an. Oder eher doch nicht?

Für Polizistentochter Cooper, die praktisch im Streifenwagen aufgewachsen ist, war die spätere Berufswahl nicht weiter fraglich: sie kann zwar im Schlaf das Gesetzbuch herunterbeten, doch im Außendienst hat sie sich noch nicht bewährt, sondern ist durch einen übereifrigen Einsatz zum Gespött unter den Kollegen geworden. Dennoch setzt ihr Chef offenbar so viel Vertrauen in sie, dass er ihr einen wichtigen Auftrag erteilt: Personenschutz bei einer Kronzeugin ( Sofía Vergara) gegen einen Kartellboss. Eigentlich sollte sich der Schutz auch auf den Ehemann der zickigen Lateinamerikanerin erstrecken, doch schon nach wenigen Minuten ist die Schutzbefohlene zur Witwe geworden und Coopers männlicher Begleiter scheidet ebenfalls aus. Die beiden ungleichen Frauen ergreifen die Flucht und müssen sich wohl oder übel zusammenraufen, während Auftragskiller und korrupte Cops die Jagd auf sie eröffnen.

Die Geschichte in diesem weiblichen Buddy-Movie ist nicht gerade originell oder logisch und wurde ganz auf das gegensätzliche Erscheinungsbild von Witherspoon und Vergara zugeschnitten: schon allein der Größenunterschied sticht sofort ins Auge und als Running gag wird in den Fernsehmeldungen die Polizistin immer kleiner, während die Nachrichtensprecher ihre unfreiwillige Partnerin immer älter machen. Witherspoon spielt eine graue Maus, die körperbetonte Vergara hingegen geizt mit ihren weiblichen Vorzügen nicht, aber notfalls erzählt sie auch äußerst detailreich und farbenfroh über ihre Menstruation, was ein paar harten Jungs weiche Knie verursacht (wobei sie in erster Linie Angst um ihre sauberen Autositze haben). Zwischendurch turnen die beiden Mädels - mit Handschellen aneinandergefesselt - auf dem Fahrersitz eines Reisebusses herum, weil schießwütige Verfolger abgehängt werden müssen oder versuchen einen aufgebrachten Farmer, der eine Waffe auf sie richtet, dadurch zu besänftigen, dass sie ihm ein Lesbenpärchen vorspielen.

Da Anne Fletcher Regie führte, könnte man meinen, dies sei ein Film, der von Frauen für Frauen gedreht wurde - was so nicht ganz stimmt. Das Drehbuch haben nämlich doch zwei Männer verbrochen, womit die Welt wieder halbwegs in Ordnung wäre, denn das erklärt einige der Peinlichkeiten und Banalität, die hier in Szene gesetzt wurden. Die sitcom-erfahrenen Autoren gefallen sich vor allem darin, gängige Lustspiel-Klischees ins Gegenteil umzukehren: weil es in Männerkomödien z.B. so spaßig ist, wenn sich die Herren der Schöpfung in Frauenkleidung präsentieren, darf sich Whiterspoon einmal als Mann verkleiden.

Bei einer ohnehin nur knapp bemessenen Laufzeit von 88 Minuten werden manche Gags über Gebühr ausgewalzt: so soll Coopers fehlende Muskelkraft beim Klimmzug zu einem hochgelegenen Klofenster minutenlangen Unterhaltungswert bietet, obwohl man einer ausgebildeten Polizistin zumindest ein Minimum an Krafttraining zutrauen müsste und die Begleiterin offenbar noch nie etwas von der altbewährten Räuberleiter gehört hat.

Witherspoon kann als kleine quirlige Nervensäge unsere Geduld ziemlich überstrapazieren und ihr selber ist dabei vielleicht auch nicht ganz wohl in ihrer Haut - womöglich lässt sie einstmals in ihren Memoiren das Mitwirken an dieser Produktion schamhaft unerwähnt. Aber seien wir gerecht: auch Vergaras hemmungslos dick aufgetragener spanischer Akzent ist nicht gerade ein Garant für gute Laune.

3 von 10 missglückten Klimmzügen auf der Filmrangleiter.

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