ZU NETTES BIOPIC MIT MÄNGELN
Dies ist die Geschichte von Howard Marks, einem jungen Mann aus der Provinz, der auszog, um auf Oxfords Eliteuniversität zu studieren, Lehrer zu werden und eher zufällig zu einem der größten Drogendealer Europas der 70er und 80er Jahre aufstieg.
Diese fehlende Stringenz in Howards Lebenslauf färbt auch gleich ziemlich stark auf den Film ab: nach einem kurzen Wie alles begann mit netten Bildern, die aus einem Beatles-Film stammen könnten, steigen wir in einen, nun ja, in was für einen Film eigentlich ein? Ist Mr. Nice ein spannender Film über das Drogengeschäft und die permanente, trickreiche Flucht vor Polizei und enttäuschten Geschäftspartnern oder ein Film, der sich mit dem Dilemma einer Kariere als Drogendealer großen Stils auf der einen Seite und der Rolle als liebenden Ehemann und Familienvater andererseits beschäftigt?
Vielleicht ist der Film aber auch ein Zeitdokument, das uns vor allem zeigt, was in diesen Jahrzehnten für einen intelligenten jungen Mann ohne allzu große moralische Bedenken alles möglich war.
Mr. Nice ist all das und das ist ein bisschen zu viel: wir sehen Rhys Ifans wie er mit der IRA und danach mit dem MI 6 zu tun bekommt, wir erleben seinen Besuch bei den revolutionären Produzenten in Afghanistan, inklusive einiger herrlich trashigen Szenen, aber nervenzerfetzende Spannung kommt dabei keine auf. Nein, Thriller ist Mr. Nice definitiv keiner. Vielleicht ein Beziehungsfilm? Auch das trifft es nicht ganz: es werden viele Charaktere angerissen aber eigentlich keiner entwickelt, selbst seine Frau Judy (Chloe Sevigny) bleibt nur schmückendes Beiwerk. Ein Film über die freaky 60`s and 70`s ist "Mr. Nice" vielleicht noch am ehesten. Das Lebensgefühl dieser Zeit wird sehr gut vermittelt, die Roaring Sixties werden in Kostüm und Musik herbeigerufen, und so wie Howard dachte damals wahrscheinlich eine ganze Generation nicht zuviel nach, bevor sie etwas tat. Er und sein Leben sind letzlich die einzige Konstante in diesem Film, was für ein Biopic ausreichen könnte, es aber nicht wirklich tut.
Dem Titel angemessen präsentierte sich Howard Marks auch in seinem Buch und diese Darstellung eines sympathischen Drogendealers wurde von Regisseur Bernard Roses völlig unkritisch übernommen. Auch wenn man dem Verbot von Cannabis, wie der Autor dieser Zeilen, sehr kritisch gegenübersteht, muss doch angemerkt werden, dass Mr. Marks nicht nur Mr. Nice war. Er war primär kein Aktivist für eine liberale Drogenpolitik, sondern ein Dealer, dem es vor allem um seinen persönlichen Vorteil ging und der seine dubiosen Kontakte natürlich auch explizit für den eigenen Profit einsetzte. Die Grenze zwischen idealistischem und egoistischem Handeln wird in den Erinnerungen dieser Generation allzu oft verwischt - das wäre ein gutes Thema für einen spannenden Film gewesen.
Fazit: Mr. Nice ist eine nette, unterhaltsame Erzählung über zwei wilde Jahrzehnte des letzten Jahrtausends. Wenn sich der Regisseur für einen Fokus, der über die Person des von Rhys Ifans großartig gespielten Howard Marks hinausgeht, entschieden hätte, wäre es vielleicht ein wirklich guter Film geworden. So bekommt Mr. Nice, vor allem für die schauspielerische Leistung, 5 von 10 Pilzköpfen.