Filmkritiken

"Der Gott des Gemetzels" auf Amazon Prime: Zimmerschlacht mit Stars

Was im Kleinen begann, wird bald im Großen fortgesetzt: nach einer Prügelei unter Elfjährigen, bei der ein Junge einige Zähne verloren hat, treffen sich die Eltern der beiden streitbaren Kinder in der New Yorker Wohnung des „Opfers“, um den Vorfall wie zivilisierte Menschen zu besprechen.

Und Roman Polanski hält diese unaufhaltsam aus dem Ruder laufende Begegnung mit sardonischer Freude fest, um zu beweisen, wie extrem klein doch die Kluft zwischen kultivierten Bürgern und brutalen Höhlenmenschen nach wie vor sein kann.

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Spielfreudige Stars

Dem Power-Paar, bestehend aus Anwalt ( Christoph Waltz) und Börsenmaklerin (Kate Winslet), steht ein auf der Gehalts- und Erfolgs-Skala deutlich weiter unten angesiedeltes Duo von aktivistischer Autorin (Jodie Foster) und Sanitärwaren-Vertreter (John C. Reilly) gegenüber.

Den anfänglich betont freundlich gewählten Worten folgen bald etwas ungehaltenere Gesprächsbeiträge, wobei sich besonders Waltz als Meister des Sarkasmus hervortut, und die Situation schaukelt sich immer weiter auf. Nach etlichen Beinahe-Aufbrüchen der Besucher, die meist durch bissige Kommentare eines der Anwesenden vereitelt werden, kommt reichlich Alkohol ins Spiel und lockert den vier Streithähnen und –-hennen die Zungen noch mehr.

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Absurde Situationen

Das ursprüngliche Thema verlagert sich auf zunehmend absurdere Konfliktpunkte und die Anschuldigungen machen auch vor den jeweils eigenen Partnern nicht Halt: v.a. die Börsenfrau steigert sich in eine betrunkene Hasstirade hinein, bei der sie nicht nur Worte auskotzen muss; und wenn Fosters Figur dank steigender Promille bei Schrei-Duellen die Sehnen aus dem Hals treten, demontiert sie das selbstgerecht vorgetragene Image der politisch Überkorrekten auf perfide Weise.

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Film nach Theaterstück

Als wäre es eine Reaktion auf seine monatelang unter Schweizer Hausarrest gestellte Existenz, erlaubt sich Polanski diesmal weder Sprünge in Raum noch Zeit, sondern die Handlung des Desasters geht tatsächlich während der kurzweiligen 80 Filmminuten innerhalb der selben vier Wände vor sich.

Der eigentliche Grund für diese Lösung ist freilich Yasmina Rezas gleichnamiges Bühnenstück, das als Vorlage diente, und in der ausgedehnten Probenphase hatten die Darsteller das Drehbuch tatsächlich wie für eine Theateraufführung einstudiert.

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New York in Paris

Auch hinter den Kulissen kommt diese Starre zum Ausdruck, denn der Film vollführt eine seltsame Kreisbewegung: Polanski verlegte zwar den Schauplatz des Stücks von Paris nach New York, drehte aber aus naheliegenden Gründen doch in Europa und so wurde das amerikanische Apartment erst recht in einem französischen Studio nahe Paris nachgebaut.

Das Ergebnis ist ein exzellenter Seelen-Striptease, bei dem die Figuren ihre Sprachmasken ablegen, Waltz ohne Hosen und Handy dasteht, sich für einige Sekunden Fosters Gesicht in das einer zänkischen alten verbitterten Frau verwandelt, Winslet über Kunstbücher kotzt und offenbar alle einen Riesenspaß hatten (was sich unweigerlich auch auf den Kritiker überträgt, dem diese Zimmerschlacht 4 von 5 zerbrochenen Gegenständen wert ist).

"Der Gott des Gemetzels" ist derzeit auf Amazon Prime verfügbar.

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