Filmkritiken

ZIELÜBUNGEN AUF RUSSISCHE STAATSOBERHÄUPTER

Als Geburtstagsgeschenk gibt es einen Sauf- und Schießtag: Eine Gruppe russischer Freunde fährt ans Meer, trinkt dort Wodka wie Wasser und schießt auf leere Flaschen. Das Geburtstagskind selbst hat sich seine eigene Kalaschnikow mitgebracht und mäht mit einer einzigen Salve das Glas vom Felsen. Die anderen sind sauer: Worauf sollen sie jetzt zielen? Kein Problem, lacht das Geburtstagskind und zieht als neue Zielscheibe einen Stapel Bilder von ehemaligen russischen Staatspräsidenten hervor: Alle da, von Breschnew bis Gorbatschow. Wo ist der jetzige, will einer wissen. Dazu fehlt uns noch die historische Distanz, lautet die lakonische Antwort.

Der Name wird nicht ausgesprochen, dafür hängt ein Putin-Porträt groß und breit hinter dem Rücken eines korrupten Bürgermeisters, der das Geschick der Einwohner eines kleines Fischerdorfes an der Barentssee lenkt. Besonders hart trifft es Nikolay, auf dessen Grundstück es der Bürgermeister abgesehen hat. Nikolay holt einen alten Freund aus Moskau zu Hilfe, einen ausgefuchsten Anwalt, der allerdings zuerst einmal mit seiner Frau ins Bett steigt. Auch sonst kann er wenig ausrichten, und Nikolays Schicksal wendet sich zunehmend ins Tragische.

"Leviathan" nennt Regisseur Andrej Swjaginzew seine von staatlichen Geldern geförderte, bildmächtige Hiobs-Parabel, die für den Auslandsoscar nominiert war, im offiziellen Russland aber als "Anti-Putin"-Film gehandelt wurde. Swjaginzews Hiob wird weniger von Gott, als von einer korrupten Bande aus Politik und Kirche auf eine harte Probe gestellt. Wer es mit dem russischen Staat aufnehmen will, so erzählt es der Regisseur, hat schon verloren. Da hilft nur viel Wodka – und der schwarzhumorige Unterton, mit dem Swjaginzew seine tragische Geschichte unterfüttert.

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