Ein philosophisches Verbrechen
Von Franco Schedl
Pünktlich in Jahresfrist liefert Allen jeweils sein nächstes Werk, und das gespannte Warten darauf ist völlig gerechtfertigt, denn dieser Regisseur sorgt nach etwas schwächeren Schaffensphasen immer wieder für Überraschungen. Auf Magic in the Moonlight, dem eher harmlos-romantischen Geplänkel des Vorjahres, lässt er diesmal eine ausgefuchste und philosophisch unterfütterte Crime-Story folgen.
Wieder mit dabei ist Emma Stone, doch für Joaquin Phoenix bedeutet der Aufritt in einem Allen-Film eine Premiere. Er hat sich für seine Rolle ein ganz schönes Bäuchlein angefuttert, einfach weil er dachte, der vom Leben gelangweilte Philosophieprofessor Abe Lucas müsse so aussehen. Der Mann, dem ein Ruf als Womanizer vorauseilt, kommt an ein Kleinstadt-College und verdreht dort nicht nur zwei Frauen den Kopf, sondern bringt es fertig, durch eine radikale Entscheidung seinen vom Alkohol dominierten Lebensüberdruss zu überwinden. Er lässt die von ihm als verbale Hirnwichserei denunzierte Morallehre eines Kants hinter sich und kreiert seine eigene Philosophie der Tat, indem er ein ethisch motiviertes Kapitalverbrechen begeht. Dessen weitreichende Konsequenzen hat der geschulte Denker dann allerdings nicht einkalkuliert.
Irrational Man weist zwar einige Parallelen zu Match Point auf und mit Dostojewskis Schuld und Sühne hat dem Regisseur erneut eines seiner Lieblingswerke als Inspirationsquelle gedient; da Allen aber ein vortrefflicher Geschichtenerzähler bleibt und uns mitfiebern lässt, sobald er seine Figuren in moralische Zwickmühlen manövriert, ist das nicht weiter tragisch. Wir finden es höchstens erfreulich und eindrucksvoll, dass jemand noch kurz vor dem Übertritt ins neunte Lebensjahrzehnt einen solchen Film zustande bringt. 7 ½ von 10 tatkräftig zerrissenen Philosophiebuchseiten.