Filmkritiken

WILLKOMMEN BEIM INSEL-THEATER!

Der Titel könnte auf ein extrem erotisches Werk schließen lassen, aber in Don McKellars kauzigen Komödie (einem Remake des franko-kanadischen Erfolgsfilms mit dem noch erotischeren Titel „Die große Verführung“ von 2004) gibt es höchstens ein bisschen Telefonsex - und auch der ist sehr jugendfrei ausgefallen. Die Versuchung erstreckt sich hier auf die vorgeblichen Annehmlichkeiten des Insellebens und die Bemühungen, einen Menschen für bestimmte Zwecke zu ködern.

Die 120 Bewohner der Hafendorfs Tickle Head auf einer kleinen neufundländischen Insel konnten früher noch vom Fischfang leben, wurden aber inzwischen zu Sozialhilfeempfänger degradiert. Allerdings besteht noch Hoffnung auf eine bessere Zukunft, denn möglicherweise errichtet eine Ölgesellschaft vor Ort eine Fabrik – vorausgesetzt, bestimmte Vorgaben werden erfüllt. Dazu zählen, abgesehen von Schmiergeld, auch die ständige Anwesenheit eines Arztes und eine Population von mindestens 150. Zwei Bedingungen somit, die nicht gegeben sind.

In dieser Notlage schlägt die große Stunde des schlitzohrigen Ortsvorstehers Murray French: um die Existenzgrundlage seiner geliebten Heimatinsel zu retten, motiviert er die (Ei)Landsleute zu den ausgeklügeltsten Täuschungsmanövern. Ein amerikanischer Schönheitschirurg (Taylor Kitsch), der auf der Durchreise wegen Kokainbesitzes am Flughafen abgefangen wurde, wird kurzerhand für einen Monat auf die Insel zwangsrekrutiert und soll dort - wenn es nach Murray geht - das Paradies auf Erden vorfinden, damit der Doktor gar nicht erst auf den Gedanken kommt, jemals wieder einen Fuß von der Insel zu setzen.

Statt ein Potemkinsches Dorf zu errichten, kreiert Murray eine Potemkinsche Bevölkerung und inszeniert ein einziges großes Insel-Theater: alle Männer müssen sich aus überzeugten Eishockey-Fans in Kricket-Verrückte verwandeln, obwohl keiner von ihnen auch nur die geringste Ahnung von den Regeln dieses Spiels hat; ausgerechnet ein Jazz-Hasser soll dem Arzt beim entsprechenden Musikhören Gesellschaft leisten und eine unwillige junge Postbotin ist dazu ausersehen, Dr. Lewis die einsamen Stunden zu versüßen.

Dabei wird natürlich auch das Telefon des ahnungslosen Opfers angezapft und zwei ältere Frauen sitzen rund um die Uhr an einer Abhöranlage: sie lasse nicht nur ein Tonband mitlaufen, sondern notieren die wichtigsten Meldungen gleich. So gewinnen sie intimste Erkenntnisse über Vorlieben und Seelenleben des Arztes und es wird z.B. möglich, dass der Mann auf der Speisekarte des einfachen Insellokals umgehend sein indisches Lieblingsessen entdeckt.

Somit bliebe noch die zweite Hürde der Unterbevölkerung zu bewältigen; durch welchen simplen Trick die fehlende Population aufgewertet wird, verrate ich hier aber nicht. Das neufundländische Schelmenstück erscheint zwar manchmal ziemlich beschaulich, verbreitet aber, besonders dank Brendan Gleeson in der Rolle des gewitzten Murray, unbezwinglich gute Laune. Nur das Ende erfolgt dann etwas überhastet und steht in keinem Verhältnis zum getriebenen Aufwand: nach dem Zusammenbrechen des komplexen Lügengebäudes hätte man sich einen viel größeren Konflikt zwischen dem Arzt und der Inselbevölkerung erwartet – stattdessen kommt es in Windeseile zur großen Versöhnung. Wir vergeben 8 von 10 Köderpunkten, um das Publikum unter Vorspiegelung echter Tatsachen ins Kino zu locken.

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