Filmkritiken

VON DER POESIE DES ENDZEIT-SCHRECKENS

Wer hätte sich gedacht, dass wir den alten australischen Jungen noch einmal wiedersehen würden? Doch Regisseur George Miller ließ einfach nicht locker und nachdem ein Wiederbelebungsversuch seiner „Mad Max“-Reihe 2003 gescheitert war, kann nun, knapp zwei Monate nach Millers 70. Geburtstag, ein Neustart des Endzeitspektakels sogar in 3D weltweit über die Leinwände toben. Mel Gibsons Zeit ist allerdings endgültig abgelaufen und so erhält Tom Hardy die Chance, sich als schweigsamer Endzeitkämpfer zu profilieren, die er auch vollauf nutzt. Zu Beginn sieht es zwar gar nicht gut für ihn aus, wenn er als lebende Blutkonserve wie eine Kühlerfigur ein dahinbrausendes Gefährt ziert, doch in der weiteren Folge zeigt sich, wie unverwüstlich dieser verrückte Ex-Cop sein kann. (Laut eigener Auskunft hat Hardy übrigens bereits sein Mitwirken an zwei weiteren Teilen zugesagt).

Miller schafft es, alles größer, besser, lauter und atemberaubender als vor 30 Jahren zu machen. Zumindest in einer Hinsicht bewies er jedoch Sinn für Kontinuität und besetzte die Rolle des bösen Immortan Joe mit dem indisch stämmigen Hugh Keays-Byrne, der bereits im Original von 1979 als fieser Toecutter zu sehen war. Wiedererkannt hätten wir ihn aber bestimmt nicht, denn als gottgleich angebeteter Diktator verdeckt er sein lädiertes Gesicht im unteren Teil durch eine grausige Atemmaske, für die eindeutig das ähnliche Modell des Batman-Schurken Bane Pate gestanden hat (obwohl das ja eigentlich Tom Hardys Ressort wäre). Der angeblich Unsterbliche herrscht über sein ausgehungertes Volk, das er mit knappen Wasserzuteilungen bedenkt, während er selber im Luxus schwelgt, einen Harem der schönsten Frauen sein Eigen nennt, Gärten aus Grünpflanzen besitzt und sogar eine menschliche Milchwirtschaft betreibt.

Als eine einarmige Rebellin (gespielt von der kahlgeschorenen Charlize Theron) eine wertvolle Fracht in ihren Besitz bringt, bricht der Diktator mit einem Aufgebot all seiner Krieger zu einer gnadenlosen Jagd auf. Inmitten der postapokalyptischen Einöde aus Sand, Geröll und Morast entspinnt sich zwischen den motorisierten Freaks ein hochtouriges Duell. Die Beteiligten entwickeln dabei so viel artistisches Geschick, dass man meinen könnte, in eine etwas wildere Aufführung des ‚ Cirque du Soleil‘ geraten zu sein.

Einen rasanter inszenierten, perfekter choreographierten und tiefsinniger erdachten Actionfilm wird es lange nicht mehr geben. Miller setzt eindeutig neue Maßstäbe in diesem Genre und verfügt über eine geradezu unerschöpfliche Phantasie: vor allem wenn es darum geht, die Überreste unserer einstigen Zivilisation mit den Verwüstungen der Zukunft zu vermischen, ergeben sich immer wieder schaurig-schöne Bilder einer Poesie des Schreckens. Auch unser filmgeschichtliches Bildgedächtnis wird bestens bedient: die Anklänge reichen vom Stummfilmklassiker „Metropolis“ bis „Dune – der Wüstenplanet“ – und eine Dokumentation über australische Ureinwohner steckt ebenfalls darin.

9 von 10 sandumtosten Endzeitgefährten.

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