VERWIRRUNG DER GEFÜHLE AUF KORSIKA
Von Franco Schedl
Was als familienfreundlicher Urlaubsfilm auf Korsika beginnt, wird allmählich zu einer emotionalen Belastungsprobe für alle Beteiligten. Immerhin ist eine Minderjährige im Spiel und die Altersdifferenz zwischen ihr und dem Objekt ihrer Liebe beträgt rund drei Jahrzehnte; darum ruft das Teenagermädchen beim Vater der besten Freundin nach anfänglicher Euphorie - die aber auch auf Alkohol zurückzuführen war - eher Unbehagen und Schuldbewusstsein hervor. Eigentlich handelt es sich hier um einen Fall von Wiederholungsliebe, denn Claude Berri hat dieselbe Geschichte schon 1977 inszeniert - darum ist ihm auch der aktuelle Film gewidmet (und sein Sohn hat sich obendrein als Produzent betätigt).
Dennoch dürfen wir uns kein Remake erwarten, das sich sklavisch an der fast 40 Jahre alten Vorlage orientiert. Regisseur Richet hat mit seinen beiden großartigen männlichen Hauptdarstellern in enger Zusammenarbeit einen durchaus eigenständigen Film geschaffen, der in wichtigen Punkten vom Original abweicht und z.B. einen komödiantischeren Ton anstrebt, obwohl es auch durchaus sehr ernsthaft und angespannt zugehen kann.
Als titelgebenden Vater erleben wir Vincent Cassel und obwohl sich seine Figur ein jugendliches Ungestüm bewahrt hat, ist er durch die schwärmerische Zuneigung des Mädchens ziemlich überfordert und sein schwacher Moment (so die Übersetzung des Originaltitels) macht ihm ganz schön zu schaffen. Hingegen hat das ungleiche Paar in den 70er Jahren seine Romanze wesentlich stärker ausgelebt, was sicher auch dem Zeitgefühl einer Ära knapp nach der sexuellen Revolution geschuldet war. Francois Cluzet spielt den anderen Vater als kleinen Korsen, bei beim immer wieder das Temperament eines Napoleons durchschlägt. Zugleich ist er ziemlich schwer von Begriff: vom Jagen einer Wildsau, die regelmäßig den Garten seines ohnehin ziemlich verkommenen Vaterhauses verwüstet, wird er so abgelenkt, dass er nicht mitbekommt, was offensichtlich um ihn herum in Sachen erotischer Anziehungskraft vor sich geht.
Während das Mädchen Alice von einer ihrem Alter zum Trotz - bereits vollprofessionellen Schauspielerin verkörpert wird, hat man für die heiklere Rolle der Louna eine Newcomerin gewählt: die reizende Lola Le Lann macht ihre Sache nicht nur wunderbar, sondern hat einen so einprägsamen Namen, dass man ihr ohne weiteres eine große Karriere vorhersagen kann. Wir verleihen dem Film 8 von 10 korsischen Trüffeln, die von der Wildsau ausgebuddelt wurden.