"Verschwörung": Wonder Woman Lisbeth Bond-Salander
Von Franco Schedl
Lisbeth Salander ist eine echte James Bond-Figur – und zwar nicht nur ihrer Unerschrockenheit und Kampfbereitschaft wegen, sondern weil der Name zwar beibehalten wird, das Gesichter jedoch alle paar Jahre anders aussieht. Nach der originalen Noomi Raplace war Rooney Mara an der Reihe, und nun darf Claire Foy (derzeit auch Neil Armstrongs Ehefrau in „Aufbruch zum Mond“) in die Rolle der Hackerin schlüpfen. Aber schließlich erfährt auch die Figur des Journalisten Blomkvis einen ähnlichen Besetzungswechsel (von Michael Nyqvist über Daniel Craig zu Sverrir Gudnason), und sogar der Autor ist nicht gleichgeblieben: da Stieg Larsson vor seinem Tod nur drei Bände der als 10-Teiler angelegten Millennium-Reihe fertigstellen konnte, hat der Schwede David Lagercrantz bisher zwei weitere Romane beigesteuert. Dies ist die Verfilmung des vierten „Millennium“-Bandes von 2015.
Lisbeth auf Weltrettungs-Mission
Das neue Gesicht ändert nichts daran, dass Frau Salander in ganz Schweden als eine Art Rächerin der misshandelten Frauen bekannt geworden ist und sogar das Interesse der Geheimdienste geweckt hat. Ein Ex-NSA-Mann kann sie zur Mitarbeit bewegen: sie soll ihm helfen, ein Computerprogramm zu zerstören, das er selber einst entwickelt hat, um die weltweite Kontrolle über Nuklearraketen zu erlangen. Wie man merkt, hat Lisbeth also tatsächlich starke James Bond-Züge angenommen und wird zu einer unverwundbaren cleveren Kampfmaschine in geheimer Weltrettungs-Mission, was zur Glaubwürdigkeit ihres Charakters nicht gerade viel beiträgt.
Eine unaufhaltbare Hauptfigur
Fede Alvarez hat zwar bereits beim innovativen Thriller „Don’t Breathe“ Regie geführt, aber diesmal kann auch er den Plot nicht retten. Visuell ist der Film das reinste Vergnügen, von der Story her eine Zumutung: die Geschichte ist dermaßen an den Haaren herbeigezogen, dass man ihr oft nur unter heftigem Kopfschütteln folgen wird. Lisbeth verwandelt sich in eine echte Super-Frau: sie springt schon als Kind aus großer Höhe in den scheinbar sicheren Tod, kann als Erwachsene trotz betäubender chemischer Substanzen im Blut ein Auto tracken und ist fit für eine halsbrecherische Verfolgungsjagd; sie wird gezwungen, böse Gase einzuatmen, überlebt Explosionen, wird in einer SM-Vorrichtung luftdicht verpackt und hat immer ein passendes Versteck parat.
Schwächen und Stärken des Films
Trotz all dieser Schwächen ist der Film aber nicht gänzlich misslungen, sondern es geht ein eigentümlicher Reiz von ihm aus. Manche Szenen gewinnen eine geradezu alptraumhaft-surreale Qualität: so taucht etwa eine rotgekleidete Frau auf, die man fast für die Rote Königin aus "Alice im Wunderland" halten könnte; auch ein Kampf mit Gasmaskenträgern in einer aufgelassenen Toilette wirkt reichlich ungewöhnlich. Noch dazu wird die Geschichte aus dem Agentenmilieu dann plötzlich zu einer völlig verrückten Familienangelegenheit, sobald ein paar psychopathische Verwandte und traumatische Kindheitserlebnisse ins Spiel kommen. Man hat den Eindruck, hinter vielen Szenen dürfte eine tiefere Bedeutung stecken, als sie auf den ersten Blick preiszugeben scheinen. Verfallenden Orte wie ehemalige Lagerhallen oder stillgelegte Sternwarten und verlassene Bergfestungen, in die es hineinschneit, könnten Abbildungen von Seelenlandschaften sein und wollte man den Film tiefenpsychologisch deuten, hätte man locker Stoff für eine ganze Diplomarbeit.
Wenn die Zeit für einen weiblichen Bond endlich reif wird, wissen wir jetzt zumindest, dass die beste Kandidatin für diese Rolle Claire Foy heißt. Auch für die "Millennium“-Reihe stellt sie eine echte Bereicherung dar und falls die Story des nächsten Films wieder an Glaubwürdigkeit gewinnt, freuen wir uns auf ein Wiedersehen mit Lisbeth.
3 ½ von 5 Schachpartien mit Wunderkindern
franco schedl