Filmkritiken

"The Hateful Eight" auf ORF: In Gesellschaft von Raubtieren

In einer weißen Einöde im tiefsten Wyoming steht ein verschneites Kruzifix, an dem ein ausgemergelter hölzerner Christus hängt, während im Hintergrund eine Postkutsche vorbeifährt. Mit diesem trostlosen Bild beginnt es. Mit einem aufgeknüpften Menschen wird es ebenso trostlos zu Ende gehen.

Dazwischen entwickelt Tarantino eine sehr grimmige und desillusionierende Sicht auf ein Stück amerikanischer Geschichte in der Nach-Bürgerkriegs-Ära (und es steht jedem frei, Parallelen zur Gegenwart zu ziehen).

Sympathisch sind die acht Hauptfiguren sicher nicht: jeder von ihnen hat Dreck am Stecken bzw. Blut an den Händen; und Hass erfüllt sie alle, da sie allergisch auf "Schwarze", "Yankees" oder "Mexikaner" reagieren. Sie warten nur darauf, sich gegenseitig aufs Brutalste zu massakrieren - und etlichen von ihnen werden bald buchstäblich die Köpfe weggeblasen.

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Zwielichtige Hauptfiguren

Samuel L. Jackson zum Beispiel spielt eine Figur, deren Erzählungen man nicht unbedingt Glauben schenken sollte. Fest steht zumindest, dass er als Major im Bürgerkrieg ziemliche Schuld auf sich geladen hat und nun als Kopfgeldjäger seinen Lebensunterhalt verdient.

Derselben Profession geht auch John "The Hangman" Ruth (Kurt Russell) nach, nur mit dem Unterschied, dass der "Hangman" seine Kundschaft lebend abliefert, um auch dem Henker Arbeit zu verschaffen. Sein neuester Fang ist ein richtiges Flintenweib, das wegen Mordes gesucht wird. Tarantino schenkt der Darstellerin Jennifer Jason Leigh übrigens nichts: Selten zuvor musste eine weibliche Hauptfigur so viele Schläge einstecken und andere Misshandlungen über sich ergehen lassen.

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Nord- gegen Südstaaten

Beim erzwungenen Zusammensein in einer Raststation während eines Schneesturm prallen dann nicht nur Temperamente, sondern auch Weltanschauungen aufeinander, was sich meist auf die Formel „Nord-“ gegen „Südstaaten“ bringen lässt. Der Bürgerkrieg mag zwar vorüber sein, doch die alten Animositäten schwelen weiter. Es hat sogar den Anschein, als wolle Tarantino den Civil War noch einmal neu austragen lassen - bloß beschränkt sich diesmal das Schlachtfeld auf den engen Raum einer Holzhütte.

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Rätselfragen

Außerdem gibt uns der Film einige Rätselfragen zum Nachdenken auf: Was verrät der Geschmack eines Eintopfgerichts? Wer hat den Inhalt eines kleinen Fläschchens in den Kaffee geleert? Warum lässt ein rotes Bonbon auf dem Holzboden der Hütte nichts Gutes erwarten? Und hat der schwarze Kopfgeldjäger tatsächlich einen Brief von Abe Lincoln in der Tasche? Wenn ja – was mag wohl darin stehen? "The Hateful Eight" vereint nämlich Elemente des Westerns mit einem kriminellen Katz und Maus-Spiel à la "Ten Little Indians".

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Das große Morden

Dabei ist das Werk nicht so sehr ein klassischer "Who Done It" (in dem man einen Schuldigen entlarvt, der bereits gemordet hat), als vielmehr ein "Who Will Do It", weil das große Morden noch bevorsteht. Der gerissene alte "Hangman" äußert sehr schnell den Verdacht, dass einer der Anwesenden ein falsches Spiel treibt, um die Gefangene zu befreien. Auch wir als Zuschauer sind dazu angehalten, Detektive zu spielen, aber falls wir nicht durchblicken, brauchen wir nur darauf zu warten, bis Samuel L. Jackson einige Indizien zu einer lückenlosen Beweiskette zusammensetzt.

Die gefundene Lösung garantiert jedoch kein gutes Ende. Im Gegenteil! Die packende Schlusseinstellung bietet ein Bild der äußersten Hoffnungslosigkeit, die umso deprimierender wirkt, weil auch das Scheitern einer ideellen Dimension hinzukommt: idealistische Worte von Lincoln werden mit dem blutigen Ergebnis kontrastiert. Spätestens jetzt sollte uns wohl klar sein: wir haben die letzten drei Stunden nicht in Gesellschaft von Menschen, sondern von Raubtieren verbracht (die aber dank Tarantino über sehr gute Rhetorik verfügen).

3 1/2  von 5 blutroten Kaubonbons.

"The Hateful Eight" ist am 20. Feber auf ORF 1 um 22:25 zu sehen.