Filmkritiken

"The Circle": Emma Watson als selbstverliebte Heldin der Angepasstheit

Mach was aus deinem Leben. Gib dein Bestes, dann schaffst du's auch. Die 24-jährige Mae Holland (Emma Watson) hat dieses Credo verinnerlicht. Ihre größte Angst ist "verschwendetes Potenzial", wie sie im Bewerbungsgespräch beim Technologiekonzern The Circle angibt. Die Latte legt sie sich selbst am höchsten. Ganz anders als ihr Freund Mercer, der mit seinem Leben und seinem Job zufrieden scheint. In Mae’s Welt wird diese Zufriedenheit schnell als Laschheit ausgelegt. Sie bekommt den Traumjob im Circle-Kundenservice und steht vor einer Karriere im besten und coolsten Unternehmen der Welt.

Totale Transparenz als Lösung aller Probleme

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The Circlehat mit der Social-Media-Plattform TruYou das Chaos im Internet aufgeräumt und alle Daten von Facebook, Google, Apple & Co in einem einzigen Account vereint. Gerade als Mae ihren Job antritt präsentiert Konzernchef Eamon Bailey (Tom Hanks) in einer seiner perfekt inszenierten Reden á la Steve Jobs das revolutionäre Produkt SeeWatch – kleine Kamerakugeln, die ganz einfach überall platziert werden können. Sie filmen alles und übertragen die gesammelten Daten in Echtzeit. Der gläserne Mensch ist für Bailey keine dystopische Horrorvision, sondern unter dem Label der Transparenz das Allheilmittel sämtlicher Menschheitsprobleme. Die totale Transparenz zum Wohle der Menschheit. Immer auf freiwilliger Basis versteht sich.

Sharing is Caring

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Damit hat Mae überhaupt kein Problem. Doch schon in der zweiten Arbeitswoche wird sie darauf aufmerksam gemacht, dass ihr privater TruYou-Account noch immer nicht mit dem internen Firmennetzwerk synchronisiert ist. Zwei nette Kollegen bieten Unterstützung an. Schnell wird klar: Außerbetriebliche Kommunikation gibt es nicht mehr. Das Konzern-Credo lautet: „Teilen ist heilen“ (Original: "Sharing is Caring"). Bei zahlreichen Freizeitaktivitäten am Firmencampus wird auch am Wochenende Partizipation erwartet. Alles freiwillig natürlich. Doch Mae verbringt die Wochenenden gerne mit ihrer Familie. Die Frage kommt auf, ob das etwas mit ihrem an Multipler Sklerose (MS) erkrankten Vater (Bill Paxton) zu tun hat?

Das erste Mal überkommt Mae ein Unbehagen wie wir es alle kennen: Momente der Klarheit, in denen wir realisieren, dass die eigenen Handlungen im Widerspruch zu unseren moralischen Überzeugungen stehen oder sogar ein System fördern, das wir aus guten Gründen ablehnen. Aber dann spielen wir trotzdem mit. Schließlich gibt es ja nicht nur Contras, sondern auch überzeugende Pros.

In der Folge kippt Mae immer weiter in die Philosophie des Unternehmens hinein. Ihre Eltern sieht sie nur noch via Video-Chat. Sie spielt auch mit, als Bailey sie zum Real-Life-Testimonial des Konzerns macht. Von nun an wird so gut wie jede Sekunde ihres Lebens live übertragen. Binnen kürzester Zeit hat Mae Millionen TruYou-Follower. Sie genießt die Popularität und sonnt sich im Erfolg. Immer wieder befällt sie dieses Unbehagen, doch sie ignoriert alle Warnsignale in ihrem Umfeld. Bis ein tragischer Unfall ihre Augen öffnet.

Angepasste Heldin einer "There is no alternative"-Generation

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Die Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers von Dave Eggers hätte ein spannender Thriller werden können. Aber der Film von Regisseur James Ponsoldt, der auch das Drehbuch geschrieben hat, scheitert am Versuch aus Mae eine rebellische Hollywood-Heldin zu machen. Das können auch Emma Watson und Tom Hanks nicht ausbügeln. Im Buch hält sie ganz zur Konzernführung. Im Film holt sie zum halbherzigen Gegenschlag aus.

"The Circle" spiegelt die diffuse Bedrohung durch Konzernkapitalismus, "Political Correctness Terror" sowie Effizienz- und Optimierungswahn realistisch wider. Aber Mae taugt bestenfalls als zahme Heldin einer angepassten "There is no alternative"-Generation. Sie lebt im Glauben, das marode System doch irgendwie mit den eigenen Waffen schlagen zu können. Totale Transparenz ist schon okay, nur müssen die Regeln für alle gelten, auch für die Konzernbosse. „Wir können doch nicht leben wie die Amish“, sagt Mae zu ihren Eltern. Und akzeptiert lieber das Ende der Privatsphäre als den Gedanken an technologiefreie Zonen der Intimität im Leben der Menschen. Revolution ist einfach nur so was von Old School.

Erwin Schotzger