"The Book of Henry": Ein (Dreh)Buch mit zu vielen Seiten
Was macht eine Mutter, wenn sie in Geldfragen nicht weiter weiß? Na klar, Sie fragt ihren elfjährigen Sohn, weil dieser Junior sich schon wie ein echter Börsenmanager anhört, aber eigentlich auch Astrophysiker, Erfinder, Philosoph oder Autor sein könnte. Der Wunderwuzzi hat einfach ein Riesenhirn, das ihm bald auch einige Probleme bereiten wird. Zunächst machen ihm aber die offensichtlichen Probleme des halbwüchsigen Mädchens von nebenan, in dem seine Mutter schon die künftige Schiegertochter sieht, wesentlich mehr zu schaffen. Als geborener Tüftler und Perfektionist, beginnt er sein Notizbuch mit Anleitungstexten und Planskizzen vollzukritzeln, um diese Schwierigkeiten ein für alle Mal zu lösen.
Unsere Tränendrüsen sind gefragt
Ein superkluger Junge, sein schwacher kleiner Bruder, ein Nachbarsmädchen in Not, eine überforderte Mutter, ein fürsorglicher Chirurg, der direkt aus „Emergency Room“ stammen könnte, und ein skrupelloser Polizist - das sind die Zutaten einer Geschichte, die in erster Linie auf unsere Tränendrüsen abzielt und im letzten Drittel dann auch noch ein Krimi werden möchte. Im Großen und Ganzen hinterlässt sie aber einen ziemlich unrunden Eindruck, was am wenig überzeugenden Drehbuch liegt. Das scheint sich auch auf die Darsteller auszuwirken, denn insbesondere Dean Norris (der Drogenfahnder aus „Breaking Bad“) wirkt in seiner Rolle als böser Stiefvater längst nicht glaubwürdig genug.
Darsteller auf verlorenen Posten
Naomi Watts gibt sich zumindest alle Mühe, die bewundernde Mutter, gestresste Kellnerin, verzweifelte Frau und ferngelenkte Auftragstäterin miteinander zu vereinen. Auch Jaeden Lieberher verkörpert den genialen Jungen recht beherzt, kann uns mit seiner superklugen Besserwisserei aber auch ganz schön auf die Nerven fallen oder macht einem auch Angst: wenn er genaueste Pläne entwickelt und Audiobotschaften hinterlässt, scheint er sich für einen künftigen „Jigsaw“-Killer zu qualifizieren; und der kleine Jacob Tremblay hat seit seinem aufsehenerregenden Debut in „Room“ auch schon interessantere Rollen gespielt.
Regisseur Tevorrow ist eindeutig eher der Mann für überdimensionierte Monster-Blockbuster à la „Jurassic World“. Auch bei „ Star Wars: Episode IX“ wäre er – wie ursprünglich vorgesehen - bestimmt besser aufgehoben gewesen, als bei dieser sehr konfusen Missbrauchstragödien-Krimi-Drama- Krankenhaus-Soap Opera-Schnulze. Da greift man lieber zu einem Buch von Henry Miller.
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