Heul! Die 11 traurigsten Disney-Filme aller Zeiten
Von Manuel Simbürger
Eigentlich wollten wir euch an dieser Stelle Disney-Filme ohne Happy End vorstellen. Trotz reichhaltigem Wühlen in unseren Kindheitserinnerungen und nächtelangen Recherchen: Wir konnten nicht einen solchen Film finden. Einfach deshalb, weil es in der DNA von Disney eingeschrieben ist, dass jede Geschichte mit einem "Happily Ever After" endet. Das Leben ist schließlich realistisch genug.
Das bedeutet aber nicht, dass in der Welt von Disney alles Friede-Freude-Eierkuchen und happy-peppi ist. Denn bis es zum ersehnt-erwarteten glücklichen Ende kommt, müssen die Held:innen so manche Schicksalsschläge überstehen. Auch wenn es auf den ersten Blick so scheinen mag: Disney ist mehr als wunderschöne Prinzessinnen und Feelgood-Mitsing-Songs.
Zwar findet man in jedem einzelnen Disney-Streifen eine dramatische Stelle, die die Augen feucht werden lässt. Es gibt aber einige Szenen, manchmal gar ganze Filme, bei denen die Lach- zu hemmungslosen Heultränen werden, bei denen nicht nur eine, sondern tausende Tränen die von überbordernden Emotionen geröteten Wangen herunterlaufen.
Das ist verstörend, schon allein deshalb, weil plötzlich auch im Disney-Kosmos das Leben ein alles verschlingendes Monster sein kann. Aber wenigstens geht's kurz darauf gleich wieder quietschbunt-lustig weiter und lernen können wir aus diesen traurigen Momenten meistens auch etwas. Zudem putzt hemmungsloses Heulen bekanntlich die Seele durch.
11 traurige Disney-Filme, die dich zum Weinen bringen:
Bambi (1942)
Wahrscheinlich der Klassiker unter den traurigsten Disney-Szenen: In einem Moment genießt der junge Hirsch Bambi mit seiner Mutter noch die wunderschöne Natur und glaubt, dass das Leben immer so weitergehen wird. Da schwillt die Musik an, wird dramatisch – und beim uns setzt langsam die Schockstarre ein, denn wir wissen, was kommt: Ein Schuss fällt, die Mama ruft ihrem Sohn zu, sich zu verstecken. Bambi rennt, ruft stolz "Ich habe es geschafft, Mama!" – doch die Antwort bleibt aus.
Disney erspart uns zwar zu sehen, wie Bambis Mutter ermordet wird, aber das lässt den Schock nicht weniger tief sitzen. Als dann auch noch der Schnee zu fallen beginnt und Bambi verwirrt seine Mutter sucht, zerreißt es einem schlicht das Herz – auch deshalb, weil mit dem Tod eines Elternteils unsere Ur-Ängste angesprochen werden.
Cap und Capper (1981)
Die berührende Geschichte rund um eine Freundschaft zwischen Fuchs und Hund mag heutzutage schon etwas in Vergessenheit geraten sein. Zu Unrecht, ist das Märchen doch eine wundervolle Symbiose aus Witz und Drama und eine Parabel dafür, dass echte Freundschaft keine Grenzen kennt.
Der Film beginnt aber mit einer Szene, die nicht nur, aber besonders Haustier-Besitzer*innen ans Herz geht: Die alte Witwe Tweed war eine Ersatzmutter für das Fuchs-Junge Cap, doch als dieser heranwächst, bleibt ihr nichts anders übrig, als ihn wegen des benachbarten Jägers auszusetzen. Tweed fährt mit Cap in den Wald, dieser glaubt noch an einen weiteren schönen Ausflug mit seiner Adoptivmami.
"Leb wohl, das heißt sich trennen. Sich nie mehr wiedersehen", heißt es in der Szene pathetisch, aber ins Schwarze treffend. Der verwirrte Blick von Cap, als Tweed ohne ihn wieder losfährt, lässt schreckliche Bilder von ausgesetzten Tieren in uns aufkommen – oder schmerzvolle Erinnerungen, als wir unseren eigenen Liebling einschläfern mussten. Eine Packung Taschentücher reicht hier nicht aus.
Oben (2009)
"Oben" ist der wahrscheinlich traurigste Film aus der Mauskonzern-Trickkiste: Schon im Kindesalter trifft Carl Fredrickson auf die Liebe seines Lebens Ellie. Ohne Worte (!) durchleben wir deren Ehe, deren Träume, deren Sorgen, vor allem deren unendliche Zuneigung zueinander – bis Ellie im hohen Alter stirbt. Plötzlich ist da keiner mehr, der neben Carl im gemütlichen Lesesessel sitzt. Keiner, der seine Träume teilt. Keiner, der das Leben mit ihm teilt. Dafür sitzt er beim Begräbnis Ellies nun ganz alleine da, nur mit einem Ballon in der Hand. Das gemeinsame Haus möchte man ihm auch noch nehmen.
Einsamkeit im Alter, Depressionen, Unfruchtbarkeit (!), der Tod der großen Liebe, das Zerplatzen von Lebensträumen und das nagende Gefühl, dass es nun zu spät ist, nämlich für alles – "Oben" spricht für einen Disney-Film überraschend düstere Themen an und setzt dort an, wo andere Märchen aufhören: Ja, sie lebten, bis sie gestorben sind – aber was dann? Stirbt mit dem Tod des Lebenspartners nicht auch ein Teil des eigenen Selbst?
Dank eines kleinen Jungen findet Carl zwar wieder zu seiner alten Lebensfreude und der Film nimmt gehörig an Disney-mäßiger Humor-Fahrt auf, aber die ersten Minuten, die sind wie wiederholte Stiche ins Herz.
Der König der Löwen (1994)
An Dramatik ist der an Shakespeare's "Hamlet" (und in abgeschwächter Weise auch an "Macbeth" und "Richard III") angelehnte Kult-Zeichentrickfilm ohnehin nicht zu überbieten: Da wird ein kleiner Junge aus seiner Heimat verstoßen, verliert den Glauben an sich, an die Liebe und seine Herkunft, der Onkel mit seiner Hyänen-Armee erinnert an die Diktatur des Dritten Reiches und der Vater wird kaltblütig ermordet, die Tat seinem kleinen Sohn in die Schuhe geschoben, der von nun an von Schuldgefühlen geplagt wird. Aber hach, wie schön ist die Savannen-Landschaft!
Besonders Mufasas Tod lässt uns auch 27 Jahre später einen eiskalten Schauer den Rücken herablaufen. Der Hass in Scars Augen, als er Mufasa in den Tod stürzt, dafür aber der Schmerz und Unglauben in Simbas kindlich-naivem Blick verfolgt uns damals wie heute in unseren Alpträumen. Noch dazu schreckt Disney nicht davor zurück, uns ausführlich zu zeigen, wie Simba verzweifelt versucht, seinen Daddy aufzuwecken, traurig murmelt, dass sie doch nach Hause müssen und er aufstehen sollte, und sich danach in dessen große Tatze bettet.
Es war dieser Moment, als wir verstanden, dass unsere Eltern nicht für immer da sein werden. Ein Schmerz, den wir auch heute noch beiseite schieben, weil er zu groß ist.
Der Glöckner von Notre Dame (1996)
Von Beginn an umgibt "Der Glöckner von Notre Dame", zu Unrecht über die Jahre etwas außerhalb des Disney-Radars geraten, eine zutiefst düstere und traurige Aura: Quasimodos Mutter wird getötet, weshalb dieser mit starken körperlichen Beeinträchtigungen auf die Welt kommt. Zeit seines Lebens muss sich Quasimodo in der Pariser Kirche Notre Dame verstecken, lebt dort, denn die Bevölkerung ist nicht bereit, Menschen anzuerkennen, die sich außerhalb der Norm befinden. Bekannt wird er als der titelgebende "Glöckner von Notre Dame".
Basierend auf der berühmten Geschichte des französischen Schriftstellers Victor Hugo ist die Disney-Erzählung natürlich mit reichlich Humor, netten Sidekicks und einer großen Liebesgeschichte angereichtert. Trotzdem: Die Grundprämisse, nämlich die eiskalte Intoleranz gegenüber Menschen, die anders aussehen, denken oder lieben, berührt und erschreckt zutiefst – auch, weil man sich unweigerlich fragt, wie weit unsere Gesellschaft seit der Geschichte rund um Quasimodo tatsächlich gekommen ist. Ein klassisches Happy End wird uns obendrein verweigert.
Der Film beinhaltet zahlreiche Momente, die schockieren. Aber besonders jene Szene, in der Quasimodo gefesselt der Pariser Gesellschaft vorgeführt wird und mit Gemüse und Obst beworfen wird (in der Originalgeschichte wird er gar ausgepeitscht), grenzt an Bilder aus einem Horrorfilm, werden wir hier doch Zeuge einer öffentlichen Misshandlung. Immerhin macht uns Disney in dieser Szene unmissverständlich klar, wer hier die tatsächlichen Monster sind.
Die Eiskönigin – Völlig unverfroren (2013)
Der Mega-Hit aus 2013 ist eine emotionale Achterbahn par excellence und eine Parabel über innerfamiliäre Zerwürfnisse, Entfremdung, Selbsthass, Angst und Einsamkeit. Im Grunde wird all dies in einem einzigen Song, in einer einzelnen Szene im Film zum Ausdruck gebracht – und seitdem sehen wir das Bauen von Schneemännern mit anderen Augen:
Hoffnungsvoll fragt die kleine Anna ihre Schwester Elsa, ob sie einen Schneemann bauen möchte. Sie klopf an ihre Tür, aber Elsa antwortet nicht. Denn diese hat Kräfte an sich entdeckt, vor denen sie Angst hat – und weil sie ihre kleine Schwester Anna nicht verletzten (und von ihr nicht zurückgestoßen werden) möchte, ignoriert sie das jämmerliche Flehen, das über Jahre vor ihrer Tür nicht aufhört, aber stets etwas leiser wird. Denn irgendwann versteht Anna, dass der Strohhalm, an den sie sich geklammert hat, zerbrochen ist. Anna hat sich von ihr abgewandt. Die Vertraute ist zur Fremden geworden. Die Tür bleibt verschlossen.
Dass wir gleichzeitig auch noch Zeuge vom Tod der Eltern der beiden Mädchen werden, macht den Schneemann-Song zum traurigsten, berührendsten und emotionalsten Moment von "Die Eiskönigin", der sich für immer in unser Gehirn gebrannt hat. Und der uns gleich mal unser Geschwisterchen anrufen lässt.
Toy Story 2 (1999)
Für uns alle besaßen unsere Spielsachen aus unserer Kindheit eine Seele, sie waren unsere treuesten Begleiter. Auch Jessie, das Cowgirl, ist solch ein Spielzeug für Emily. Doch als Jungs und Make-up wichtiger werden, wird Jessie achtlos in eine Kiste geworfen und im Grunde ausgesetzt. Jessie, die ihre Besitzerin ebenfalls über alles liebte, hat Emily an die Pubertät verloren.
Als sie Woody von ihrer Geschichte erzählt, fühlen wir mit dem Spielzeug mit, ganz so, als handele es sich hier um eine reale Person. Und wir erinnern uns an jenen Moment, als wir uns selbst von unserer Kindheit verabschiedeten, den Moment, in dem uns bewusst wurde, das nichts mehr so ist, wie es mal war. Als die Unbeschwertheit für immer hinter uns lag.
Wir denken aber auch an all die Dinge und Personen aus unseren frühen Jahren, die irgendwann in unserem Leben keine Rolle mehr spielten. Und wir fragen uns, ob es irgendwo in uns das Kind von damals noch gibt. Und das Spielzeug, das uns mal so wahnsinnig viel bedeutete. Vielleicht denken wir auch an unsere Eltern, die sich, als wir erwachsen wurden, manchmal so gefühlt haben müssen wie das Spielzeug in der weggeworfenen Kiste.
Der Herzschmerz-Song "When she loved me" verleiht der Szene noch zusätzliches Heulkrampf-Potenzial.
Findet Nemo (2003)
Die größte Angst aller Eltern ist es, das eigene Kind zu verlieren, auf welche Art auch immer. Es ist diese Angst, die sie nachts nicht schlafen lässt. Und es ist diese Angst, um die es in "Findet Nemo" geht, einem Film, in dem es schon vor der Einblendung des Titels hoch-emotional hergeht: Marlin verliert mit einem Schlag seine Frau und seine Kinder. Als er nach dem Barrakuda-Angriff nach ihnen sucht, wird hier das Waisen-Motiv also auf den Kopf gestellt: Nun ist es der Vater, dem alles genommen wurde. Wir heulen aber genauso.
Nemo ist der einzige Sohn, der überlebt hat. Als dieser eines Tages verschwindet, wachsen Marlins Verlustängste (und seine PTSD) ins Unermessliche. Die unterschwellige permanente Angst macht "Findet Nemo" trotz des großartigen Humors zu einem vielschichtigen und sich immer schneller drehenden Gefühlskosmos.
Susi und Strolch (1955)
Ja, auch wir denken beim Disney-Klassiker als erstes an die ultra-romantische Spaghetti-Szene zwischen der Lady Susi und dem Strolch Strolch. Diese hat unser nach Liebe und Seelenverwandtschaft lechzendes Herz schon damals höher schlagen lassen (und wahrscheinlich zum einen oder anderen Spaghetti-Experiment angeregt).
Eine ganz bestimmte andere Szene im Film berührt uns mindestens ebenso sehr, lässt in uns aber nicht Glückseligkeit, sondern tiefste Traurigkeit aufkommen: Als seine Freunde Strolch vor einem Hundefänger retten wollen, gerät der loyale Pluto unter die Räder – und steht nicht mehr auf. Sein bester Freund Jock lässt seiner Trauer in einem schmerzerfüllten Jaulen freien Lauf, das uns durch Mark und Bein geht, egal, wie oft wir die Szene schon gesehen haben.
Die Szene beweist nicht nur, dass Tiere (in diesem Fall: Hunde) die besseren Menschen sind, sie zeigt auch, dass es nicht Blut und explizite Gewalt braucht, um Trauer, Horror und seelische Dunkelheit eindrucksvoll zu vermitteln.
Und sie mahnt zu mehr Achtsamkeit im Straßenverkehr.
WALL·E – Der Letzte räumt die Erde auf (2008)
Roboter können genauso Gefühle empfinden und sind zur alle Grenzen einreißenden Liebe genauso fähig wie wir Menschen – mindestens! All das wissen wir spätestens seit der berührenden Disney-Romanze "WALL-E – Der Letzte räumt die Erde auf", die von der großen Liebe zwischen dem kleinen Haushalts-Roboter WALL-E und Roboter-Dame EVE ("Extraterrestrial Vegetation Evaluator") handelt.
Vieles mussten die beiden überwinden – streng genommen: die gesamte Galaxie –, um zusammen sein zu können. Am Ende scheint es für einen kurzen Moment so, als ob sich WALL-E an seine große Liebe nicht erinnern kann. Der leere, verständnislose Blick mit den großen (Kindchenschema-)Augen von WALL-E bricht nicht nur EVE, sondern auch uns Zuseher*innen das Herz. Für einen kurzen Moment gibt es weder Gegenwart, Vergangenheit noch Zukunft.
Das Happy End, das kurz darauf folgt, ist dafür umso schöner und bringt uns genauso zum Heulen – aber die (wenn auch kurze) Metapher für die beängstigende Krankheit Demenz, die auslöscht, wer man war und die am Ende selbst die größte Liebe unter ihr begräbt, bleibt. Und lässt so schnell nicht mehr los.
Dumbo (1941)
Anscheinend hat Disney perfide Freude daran, seine Protagonist*innen zu Waisen zu machen: Auch in "Dumbo" wird der kleine Held mit den großen Ohren auf dramatische Weise von seiner Mama getrennt und muss sich von nun an alleine durch die dreckige, kalte Welt schlagen – eine Welt, die nicht versteht, wenn jemand anders ist. Nein, "Dumbo" ist nicht per se ein Wohlfühl-Film, denkt man genauer drüber nach.
Unterlegt mit dem herzzerreißenden Song "Baby Mine" sehen wir ein Kleinkind, das Schutz in den Armen (aka im Rüssel) seiner Mama sucht und zum allerletzten Male jene Geborgenheit fühlen darf, die nur die eigene Mutter einen empfinden lassen kann. Er will, dass die von ihm über alles geliebte Mama mit ihm geht, aber sie kann nicht, denn sie ist eingesperrt, von Menschen, die Gier und Hass über Werte wie Mutterliebe und Zweisamkeit stellen.
Man kommt nicht ohnehin, bei dieser Szene an all die schrecklichen Bilder aus Kriegs-Berichterstattungen zu denken, wo Eltern von ihren weinenden Kindern getrennt werden, die die Welt nicht mehr verstehen. Der Schmerz ist zeitlos. Die unmenschliche Grausamkeit ebenso.