Die 10 von KritikerInnen bestbewerteten Netflix-Serien
Von Manuel Simbürger
Über fehlende Hits kann sich Netflix nicht beklagen, der ehemalige Streaming-Geheimtipp (in einer Zeit, als Streaming generell noch als Geheimtipp galt) hat sich in den vergangenen Jahren zum Publikumsliebling entwickelt und liefert besonders im Serien-Segment Erfolge auf dem laufenden Band: Titel wie "The Witcher", "Stranger Things" oder zuletzt "Squid Game" fesseln Millionen von Menschen vor den Bildschirm und machen das nächtliche Schlafen zur Nebensache.
Netflix mag zwar die Welt der Serien neu erfunden haben, aber so manchen eingefahrenen Regeln muss sich auch die Streaming-Plattform beugen: nämlich zum Beispiel dann, wenn es darum geht, sowohl Publikum als auch KritikerInnen zufrieden zu stellen.
Das ist nämlich fast so gut wie unmöglich, wie man aus der Entertainment-Historie weiß: Das Produkt, das die große Masse anlockt, stößt in KritikerInnen-Kreisen oftmals auf Unverständnis oder gar pure Ablehnung.
Aus diesem Grund haben wir für euch mithilfe der KritikerInnen-Plattform Rotten Tomatoes jene Serien aus dem Hause Netflix zusammengesucht, die bei TV-, Film- und Entertainment-ExpertInnen besonders gut ankommen, sprich: (so gut wie) ausschließlich positiv bewertet wurden. Wir sind sicher, ihr werdet genauso überrascht sein wie wir – denn so manche Publikumslieblinge, die man an dieser Stelle erwarten würde, sind nicht vertreten.
Im Gegenteil: Mit Ausnahme der Nummer 1 (und gerade noch der Nummer 3) handelt es sich bei den Titeln um Serien, die vor allem eingefleischten Fans und Streaming-Nerds bekannt sein dürften, zum Teil laufen sie gar unter der breiten Wahrnehmungsgrenze. Es lohnt sich also, auch beim Streaming tiefer zu graben, um versteckte Diamanten zu finden ...
Die 10 bestbewerteten Netflix-Serien:
10. Big Mouth (seit 2017)
Rotten Tomatoes: 99 Prozent
Animations-Serien für Erwachsene liegen voll im Trend, "Big Mouth" schwimmt in diesem Erfolgswasser aber nicht nur mit, sondern schlägt dabei selbst gehörig große Wellen: "Family Guy"-Autor Andrew Goldberg und der Schauspieler Nick Kroll lassen in dieser alles anderen als jugendfreien Comedyserie die Höhen und Tiefen ihrer eigenen Pubertät Revue passieren, ein Blatt vor den Mund nehmen sie sich dabei nicht, ganz im Gegenteil:
Oftmals treiben die frivolen Gags einem die Schamesröte ins Gesicht, von Fremdscham ist die Serie trotzdem meilenweit entfernt, zu sehr regiert beim Schauen der Identifikationsfaktor. Frecher als "Family Guy", charmanter als "South Park" und mindestens genauso sozialkritisch wie "Die Simpsons". Ein glorreicher Alptraum im besten Sinne!
9. One Day at a Time (2017-2020)
Rotten Tomatoes: 99 Prozent
Die Neuauflage des CBS-Klassikers (1975-1984) handelt vom Leben einer kubanischstämmigen Familie in den USA. Im Mittelpunkt steht eine frisch getrennte, einst für das Militär tätige Mutter (Justina Machado), die sich an ihr neues Leben als Single erst gewöhnen und sich gleichzeitig um ihre rebellische Tochter im Teenageralter und ihren einige Jahre jüngeren, sozial gewandten Sohn kümmern muss. Dazwischen sorgt auch noch die exzentrische Großmutter für allerlei Wirbel und frischen Wind ...
Auf den ersten Blick mutet "One Day at a Time" wie eine weitere belanglos-oberflächliche Sitcom an, beim genaueren Hinsehen entpuppt sie sich jedoch als humorvolle und feinfühlige Auseinandersetzung mit dem Leben der spanischen Community in den Vereinigten Staaten. Ernste Momente wechseln sich mit herzhaften Lachern ab, dumpfen Schenkelklopfer-Humor sollte man sich hier nicht erwarten – gut so!
8. Crazyhead (2016)
Rotten Tomatoes: 100 Prozent
Fans von "Buffy the Vampire Slayer" und "Supernatural" dürfen sich dieses in den Bann ziehende Konglomerat aus Horror, Komödie und Drama nicht entgehen lassen: Im Fokus steht die ungewöhnliche Freundschaft zwischen Amy und Raquel.
Die eine kann tote Seelen erkennen, die andere ist Dämonenjägerin. Gemeinsam müssen sie gegen die Legionen der Hölle ankämpfen, was sie natürlich mit allerlei pointierten One-Linern, viel Charme und mächtig Girlpower tun. Schräg, aberwitzig, exzentrisch, manchmal absurd, stets höchst spannend – schade, dass nach einer Staffel schon wieder Schluss war.
7. Dash & Lily (2020)
Rotten Tomatoes: 100 Prozent
Paul-Auster-Fans wissen: Ein unscheinbares, monochromes Notizbuch kann das eigene Leben vollkommen aus den Fugen geraten lassen und neue Welten eröffnen. So geht's auch der 17-jährigen fröhlichen Lily (Midori Francis) und dem jungen zynischen Dash (Austin Abrams), die mittels Notizbuch Träume, Wünsche, Sehnsüchte und sonstige intime Geheimnisse austauschen, einander aber gar nicht kennen. Bald ist nichts mehr, wie es war und die beiden erkennen, dass sie mehr gemeinsam haben, als sie erwartet hätten. Klopft da etwa die ganz große Liebe an die Tür?
Durchaus kitschig, aber genauso herzerwärmend und ohne Furcht die ganz großen Gefühle umarmend. "Dash & Lily" lässt einen die eigene Seele wieder spüren. Perfekt für die Weihnachtszeit!
6. Blood of Zeus (seit 2020)
Rotten Tomatoes: 100 Prozent
Dass Animations-Serien, besonders aus dem Anime-Bereich, auch Erwachsene begeistern und für endorphingeschwängerte Purzelbäume sorgen, ist nicht neu. Dass ein serieller Anime aber auch bei den KritikerInnen-Wuzzis derart gut ankommt, sodass eigentlich niemand von ihnen etwas Schlechtes darüber zu sagen hat, ist dann doch eher selten.
"Blood of Zeus" gilt als bester Anime auf Netflix und hat sich dank epischer Schlachten, beeindruckender Bildkompositionen, tollen Dialogen und moderner, aber auch werkgetreuer Umsetzung der griechischen Mythologie einen Platz im Anime-Olymp mehr als verdient.
Es geht um Heron, Halbgott sowie Sohn des Zeus und einer Sterblichen. Im antiken Griechenland muss er die Welt vor einer Dämonenarmee retten und gleichzeitig sich selbst finden. Neben all der Action wird geschickt die Verbindung zwischen Macht, Wut, Tapferkeit und Ruhm ausgelotet.
5. Pflicht und Schande (2019)
Rotten Tomatoes: 100 Prozent
Polizist Kenzo (Takehiro Hira) reist aus Tokio nach London, um seinen lange vermissten jüngeren Bruder zu finden, der sich angeblich als Yakuza-Gangster ausgibt und für den Mord an einem japanischen Geschäftsmann gesucht wird.
Dabei steht nicht nur die Familienehre auf dem Spiel, sondern auch der brüchige Frieden zwischen den Gangsterbanden im heimischen Japan. Ein fesselnder Mix aus Drama, Action und Thriller made in Japan, der tief in den Yakuza-Krieg eintaucht die eiskalte Atmosphäre des allgegenwärtigen Misstrauens auch auf das Publikum überträgt. Allerdings bereits nach einer Staffel abgesetzt.
4. Feel Good (2020-2021)
Rotten Tomatoes: 100 Prozent
Komödiantin Mae (Mae Martin) versucht nach ihrem Rehab-Aufenthalt mit aller Kraft, den Drogen fern zu bleiben. In einem Comedy Club lernt sie die steif-konverservative George kennen.
Die beiden verlieben sich ineinander, ihre Beziehung verzehrt Körper und Seele – was Maes neues Leben nicht gerade einfacher macht ... Die Comedy übt sich in vornehmer Zurückhaltung und ist irgendwo zwischen Indie-Format und Crowdpleaser angesiedelt. Statt den großen Lachern schleichen sich die Gags, oftmals Situationskomik, erst nach und nach in das Gehirn des Publikums, wo sie es sich dann aber gemütlich machen. Macht nachdenklich, unterhält aber auch wunderbar!
3. Master of None (seit 2015)
Rotten Tomatoes: 100 Prozent
Dev (Aziz Ansari) ist bereits 32 und lebt in New York, aber so richtig weiß der indisch-stämmige Schauspieler nicht, was er vom Leben erwarten soll oder darf. Oder was er will. Der berufliche Durchbruch lässt auf sich warten und auch privat hadert er mit großen und kleinen Entscheidungen.
Sensibel, reflektiert und mit leisem, aber dafür umso lauterem Humor setzt sich die Serie mit dem Mensch-Sein in all seinen farbenfrohen und komplexen Aspekten auseinander, zynisch wird es nie, tief- und ergreifend dafür immer – egal, ob es sich um Alltagsrassismus, Familie, Freundschaften, die Liebe oder das Spiel mit dem Schicksal handelt. Woody Allen lässt grüßen.
2. Der Babysitter-Club (seit 2020)
Rotten Tomatoes: 100 Prozent
Bei der auf der Bestseller-Buchreihe von Ann M. Martin basierenden modernen Dramedyserie dreht sich alles um die Freundschaft und Babysitter-Abenteuer sieben bester Freundinnen, die einen professionellen Babysitter-Service in Stoneybrook im US-Bundesstaat Connecticut starten.
Klar, dass das nicht völlig ohne Probleme vonstatten geht: Denn neben herausfordernden und schlicht nervenden Kleinkindern müssen sich die Teens auch mit der Pubertät auseinandersetzen. Auf ihre Freundschaft untereinander können sie sich aber immer verlassen ...
Eine liebenswerte Geschichte von Vorbildern, Selbstbildern und Spiegelbildern, stets altersgerecht und mit einem gerade richtig dosierten moralischen Zeigefinger im Hintergrund. Sanft, aber wirkungsvoll.
1. Das Damengambit (2020)
Rotten Tomatoes: 100 Prozent
Die berühmte Ausnahme, die die Regel bestätigt: Die Miniserie "Das Damengambit" mit der ebenso bezaubernden wie höchst talentierten Anya Taylor-Joy in der Hauptrolle räumte nicht nur sämtliche Preise ab, sondern versetzte auch Publikum und KritikerInnen gleichermaßen in euphorische Dauerstimmung.
Basierend auf dem gleichnamigen Roman aus dem Jahr 1983 wird die Geschichte der jungen Waisen Beth Harmon in den 1950ern erzählt, die ihr erstaunliches Talent für das Schachspiel, aber auch ihren Hang zu Beruhigungsmitteln entdeckt.
Gejagt von ihren Dämonen und angetrieben von einem Cocktail aus Narkotika und ihrer Obsession entwickelt sich Beth zu einer extrem talentierten und glamourösen Außenseiterin, die die traditionellen Grenzen der von Männern dominierten Schachwelt einreißen will. Eine sowohl stilistisch als auch dramaturgisch exzellent inszenierte Parabel über das Erwachsenwerden und den wahren Preis von Genialität.