Die 10 von KritikerInnen bestbewerteten Amazon-Prime-Serien
Von Manuel Simbürger
Seit geraumer Zeit liest man auf Social Media vermehrt, dass der Meinung von FilmkritikerInnen nicht zu trauen sei, die sei doch ohnehin nur subjektiv, arrogant, elitär, gefühllos und stimme obendrein in den seltensten Fällen. Der Konsens: Wenn FilmkritikerInnen meinen, der Film sei schlecht, schau ich ihn mir erst recht an!
Natürlich: Eine Meinung ist immer subjektiv, das trifft natürlich auch auf FilmkritikerInnen zu. Trotzdem sind KritikerInnen aufgrund ihrer Ausbildung und ihrer beruflichen Erfahrung in der Lage, die Kunstart Film professioneller zu beurteilen als das Gros des Publikums.
Ihre Analysen helfen zudem, sich mit dem Medium näher auseinanderzusetzen, tiefer in die Materie einzutauchen und zu lernen, auf welche Aspekte es ankommt, wenn ein Werk es in die Liste der "Besten Filme aller Zeiten" schaffen möchte.
Vor allem aber dienen Filmkritiken schlicht als Orientierungshilfe inmitten der Filmflut, die vor allem im Streaming-Zeitalter monatlich über uns hereinbricht – denn wer hat schon Zeit, sich wirklich jeden Streifen reinzuziehen? FilmkritikerInnen nehmen dich an der Hand und helfen dir, die Diamanten unter all den Strasssteinen zu finden.
Die 10 bestbewerteten Amazon-Prime-Serien:
10. The Tick (2016-2019)
Rotten Tomatoes: 95 Prozent
Eine (Anti-)SuperheldInnen-Serie der ganz besonderen Art: In einer Welt, in der SuperheldInnen seit Jahrzehnten Realität sind, muss ein Underdog und Angestellter mit keinerlei Superkräften feststellen, dass seine Stadt von einem weltweit operierenden Super-Bösewicht beherrscht wird, der für tot gehalten wurde. Als er versucht, diese Verschwörung aufzudecken, trifft er auf einen seltsamen, blauen Superhelden ...
"The Tick" ist weniger anarchistisch und grenzenüberschreitend wie "The Boys", dafür aber ähnlich abgedreht, spleenig und skurril – sowie um einiges knallbunter. Was brutale Gewaltszenen betrifft, lässt sich die Serie auch nicht lumpen, allzu sensibel sollte man hier nicht sein. In "The Tick" wir der Unsinn so überschwänglich zelebriert und zum spaßigen Trash-Freizeitparadies erhoben, dass man sich schwer tut, daran keinen Spaß zu haben.
9. Invincible (seit 2021)
Rotten Tomatoes: 96 Prozent
Und gleich noch eine Serie über SuperheldInnen, diesmal im Animationsstil und basierend auf einem Comic von Robert Kirkman ("The Walking Dead"): "Invincible" erzählt die Geschichte vom 17-jährigen Mark, der sich eigentlich nicht von anderen Jungs in seinem Alter unterscheidet – abgesehen davon, dass sein Vater Omin-Man ist, der mächtigste Superheld der Welt.
Als Mark selbst beginnt, Kräfte zu entwickeln, entdeckt er, dass das Erbe seines Vaters vielleicht nicht ganz so heldenhaft ist, wie es scheint. Humorvoll, brutal, Grenzen auslotend und sicher nichts für allzu junge ZuseherInnen!
8. Sneaky Pete (2015-2019)
Rotten Tomatoes: 96 Prozent
In dem von Bryan "Breaking Bad" Cranston produzierten Mix aus Krimi und Drama dreht sich alles um den Hochstapler Marius (Giovanni Ribisi), der aus dem Gefängnis freikommt und sich daraufhin auf der Flucht vor einem gemeingefährlichen Gangster (Cranston) befindet, den er einst bestohlen hat. Da er keinen anderen Ausweg sieht, nimmt er die Identität seines Zellengenossen Pete an und feiert "Wiedervereinigung" mit dessen Familie, um seiner Vergangenheit zu entfliehen. Ein Doppelleben zu führen birgt allerdings so einige Hindernisse ...
Die Serie mutet wie der kleine Bruder der "Ocean's"-Filmreihe an: nicht ganz so lässig, dafür unbändiger und frecher. Ein cleveres und fesselndes Drehbuch, unkonventioneller Humor, ein fantastischer Cast und unvorhersehbare Wendungen runden das gelungene Gesamtbild ab.
7. One Mississippi (2015)
Rotten Tomatoes Rating: 96 Prozent
Comedians lieben es, Serien über ihr eigenes Leben zu kreieren, eben dieses dabei humorvoll zu überzeichnen und haufenweise Insider-Gags reinzupacken, man denke an "Episodes" (Matt LeBlanc), "Curb your Enthusiasm" (Larry David) oder gar "Entourage" (Mark Wahlberg). Selten aber ist das Ergebnis so gelungen, so eine moderne, liebevolle, unterhaltende und tiefreifende Kunst wie "One Mississippi", basierend auf dem Leben der Emmy-nominierten Komikerin Tig Notaro ("Transparent"), die, Genre-typisch, auch gleich die Hauptrolle übernimmt:
Tig kehrt nach dem plötzlichen Tod ihrer Mutter in ihre Heimatstadt in Mississippi zurück. Sie versucht, die Tragödie zu verarbeiten und wird dabei mit ihrer Vergangenheit konfrontiert – der Start einer sensiblen und überraschend (schwarz)humorigen Erkundung ihrer Familie. Brillanz wurzelt auch hier in großen Geistern: Neben Notaro zeichnen auch Diablo Cody ("Juno") und Kate Robin ("Six feet under") für die Serie verantwortlich.
6. Small Axe (2020)
Rotten Tomatoes: 97 Prozent
Die Anthologie-Serie von Kult-Regisseur Steve McQueen ("12 Years a Slave") erzählt über die Lebenswelten karibischer EinwanderInnen in London zwischen 1969 und 1985. Vier der fünf Folgen (allesamt in Spielfilmlänge) basieren auf wahren Ereignissen, was das Eintauchen in die Vergangenheit noch aufwühlender, noch ergreifender, noch nachdenklicher, aber auch wütender macht.
Wie kein anderer versteht es McQueen, eine poetische Aura mit erschreckender Realität und aktuellem Polit-Geschehen zu verbinden. Höchst komplex, aber trotzdem nicht überfordernd.
5. A Very English Scandal (seit 2018)
Rotten Tomatoes: 97 Prozent
Lange Zeit war Hugh Grant der Inbegriff des tollpatschigen, aber liebenswürdigen und vornehmen britischen Trottels, seit geraumer Zeit darf er vor der Kamera auch seine Ungustl-Seite zelebrieren.
In dieser Anthologieserie spielt sich Grant als britischer Politiker Jeremy Thorpe die Seele aus dem Leib und lässt alle darstellerischen Grenzen hinter sich. Thorpe war in den 1970er Jahren Chef der British Liberal Party und nebenher noch am Mord an seinem heimlichen Liebhaber (Ben Whishaw, ebenfalls grandios!) beteiligt – zumindest angeblich. Definitives Must-See! Das Leben schreibt eben immer noch die besten Geschichten.
4. Bosch (2014-2021)
Rotten Tomatoes: 97 Prozent
Noch eine Crime-Serie mit einem Ermittler, der mit dem Scherbenhaufen namens Privatleben genauso viel zu tun hat wie mit dem Lösen grausiger Mordfälle? Ja. Aber auch Nein. Denn "Bosch" hebt sich aus der Genre-Masse dank dichter Atmosphäre, intelligenter Drehbücher, spannender Wendungen und einem zum Niederknien guten Hauptdarsteller (Titus Welliver) ganz klar heraus.
Harry Bosch ist unnachgiebig, eigensinnig und nicht auf den ersten Blick sympathisch, aber natürlich in Wirklichkeit eine gequälte Seele – auch, weil er immer noch mit dem Horror des Vietnamkriegs, in dem er diente, zu kämpfen hat. Die Story selbst wird langsam und mit viel Liebe zu Details sowie Authentizität erzählt, auf zu viel Action wird im Sinne der altmodischen Unaufgeregtheit verzichtet. Ein Muss für Fans klassischer Krimi-Filme!
3. Undone (2019)
Rotten Tomatoes: 98 Prozent
In der ersten Animations-Serie für Erwachsene von Amazon Prime werden die Gesetze von Raum und Zeit aus den Angeln gehoben, möglich ist hier alles, was auch mit Hilfe von Rotoskopie-Technik faszinierend und eindrucksvoll in Szene gesetzt wird. "Undone" ist hypervisuell, surreal, psychedelisch, philosophisch und kommt wie ein Mix aus Ecstasy-Trip, Achterbahnfahrt und reflektierter Sitzung beim/bei der PsychodoktorIn daher. Trotz Fantasie-Überfülle lässt "Undone" einen das echte Leben spüren – und das tut manchmal verdammt weh.
Im Kern geht's um die 28-jährige Alma, die nach einem schweren Unfall plötzlich durch Raum und Zeit reisen kann. Mit den neugewonnenen Fähigkeiten versucht sie, die Wahrheit über den Tod ihres Vaters herauszufinden.
2. Catastrophe (2015-2019)
Rotten Tomatoes: 98 Prozent
Wie "Beim ersten Mal", nur sehr viel lustiger und weit weniger frauenverachtend: Die britische Sitcom "Catastrophe" dreht sich um die Irin Sharon (Sharon Horgan) und den Amerikaner Rob (Rob Delaney), die eigentlich nur einen einzigen heißen, dafür langen (25 Runden!) Abend miteinander verbringen wollten.
Wie das Leben so spielt, wird Sharon aber von Rob schwanger, weshalb sich dieser kurzerhand dazu entschließt, sein Leben in den USA komplett hinter sich zu lassen und nach Großbritannien zu ziehen, um Sharon beizustehen. Rob ist fix entschlossen, Sharon ein guter Freund und Kindsvater zu sein. Dass sich die beiden kaum kennen, macht die Sache natürlich kompliziert ... Zynisch, realistisch und zum Brüllen komisch!
1. Fleabag (2016, 2019)
Rotten Tomatoes: 100 Prozent
Ähnlich wie Frank Underwood aus "House of Cards" lässt uns auch die exzentrische Londonerin, die wir nur als Fleabag kennenlernen und mit unbeschreiblicher Grandiosität von Phoebe Waller-Bridge verkörpert wird, mittels Durchbrechen der vierten Wand an ihren intimsten Gedanken teilhaben. Und wie auch Underwood macht uns Fleabag zu KomplizInnen des größten Abenteuers, dem sich der Mensch stellen kann: dem Leben.
Mit Politik hat die Anfang-30-Jährige zwar nicht viel am Hut, dafür muss sie sich mit ihrem Meerschweinchen-Café, enttäuschten Eltern, sexuellen Übergriffen, stressigen One-Night-Stands, dem Tod ihrer besten Freundin und einem "hot priest" auseinandersetzen, der in Fleabag einmal mehr die Frage aufkommen lässt, wieso Begehren eigentlich Sünde ist und nicht einfach die intensivste Form des Mensch-Seins.
Das Ganze ist so modern, abgefahren, authentisch, nicht-entschuldigend, schwarz-humorig, zynisch und vor allem feministisch, dass man nur sehr schwer davon genug bekommt.
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