Filmkritiken

STERBEN IN DER STAHLSTADT

Manche Landschaften produzieren einfach düstere Geschichten. Pennsylvanias abgewirtschafteter Rostgürtel im Nordosten der USA gehört eindeutig dazu.

Schon Hugh Jackman kämpfte dort in „Prisoners“ depressiv gegen Alkohol und Kindesentführer. In den Vororten von Pittsburgh entstehen keine Komödien.

Auch Christian Bale als Stahlarbeiter Russell Baze durchläuft in der sterbenden Stahlstadt Braddock eine gemütsschwere Proletenpassion. Mit großer Souveränität und sensibler Hingabe übernimmt der Brite die emotionale Hauptlast eines astreinen Männer-Melodrams. Einfühlsam pflegt er seinen sterbenden Vater, kümmert sich um den mental instabilen Bruder und weint, wenn man ihn verlässt – eine Rolle, die typischerweise eher den Damen zufällt. Doch in seiner (beinahe) frauenlosen Welt der Arbeiterklasse trägt Bale entschlossen die Bürde des Melodramen-Helden und schluckt sehr viele Demütigungen, ehe er schließlich doch den harten Mann und Rächer heraushängen lässt.

Scott Cooper, der mit seinem Spielfilmdebüt „Crazy Heart“ Jeff Bridges immerhin einen Oscar bescherte, inszeniert sein melancholisch-poetisches, auf analogem Material gedrehtes Working-Class-Drama vor rauchenden Fabrikschloten und den grauen Fassaden trister Wohnheime.

Casey Affleck als kleiner Bruder und Irak-Veteran findet keinen Tritt in den freudlosen Gassen des Stahlwerkes.Die Schlächterei im Nahen Osten und das damit verbundene Kriegstrauma hat für ihn das zivile Leben verunmöglicht. Stattdessen lässt er sich auf illegale Boxkämpfe auf den Schrottplätzen von Industrieruinen ein – und gerät dabei an den Klassenfeind aus der weißen Unterschicht.

Dieser erhebt sich aus dem dem drogenverseuchten Mittelgebirge der Apalachen und wirkt wie eine bizarre Parodie auf Walter White aus „ Breaking Bad“. Woody Harrelson spielt den Gaga-Hinterwäldler und augenrollenden Crystal-Meth-Koch mit sichtlicher Spielfreude und platziert bei jeder möglichen Gelegenheit eine Kugel im Kopf seiner Gegner.

Irgendwann reicht’s dann auch dem duldsamen Russell Baze und er verlässt Heim und Herd im Namen der Rache. Spätestens dann verliert Regisseur Cooper seine schöne Milieustudie zugunsten einer melodramatischen Zuspitzung, die ins Überdeutliche verfällt. Kriegsheimkehrer-Drama trifft „Fightclub“ trifft Selbstjustiz-Thriller, mit einem kleinen Umweg über ein Szenen-Zitat aus „Das Schweigen der Lämmer“.

Gerade noch traurig-stimmiger Alltagsblues aus den Hochöfen der Stahlstadt, steigert sich „Out of Furnace“ plötzlich ins Alttestamentarische. Und schmilzt seinen Anspruch auf Realismus im Genre-Stereotyp ein.

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